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Ich darf nicht vergessen

Ich darf nicht vergessen

Titel: Ich darf nicht vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice LaPlante
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Halblicht. Hier gefällt es dir. Hier fühlst du dich sicher. Die Frau ist dir sympathisch. An wen erinnert sie dich? Auf sie ist Verlass. Was ich hier mache, ist absolut vorschriftswidrig, sagt sie schließlich. Aber ich habe mich noch nie gern an Vorschriften gehalten. Und Sie auch nicht, wie es aussieht.
    Sie geht dir voraus zum Aufzug, drückt auf den Knopf. Irgendetwas hat an der ganzen Sache von Anfang an nicht gestimmt, sagt sie. Nichts passt zusammen.
    Als der Aufzug kommt, bugsiert sie dich hinein und drückt auf den Knopf mit der Nummer 2. Die Türen sind zerbeult, und es riecht nach kaltem Rauch. Der ganze Kasten zittert und wackelt, ehe er sich endlich in Bewegung setzt und es nach oben geht.
    Als die Türen sich wieder öffnen, kneifst du die Augen zu gegen das grelle Licht. Du befindest dich in einem langen, cremefarbenen Korridor, in dem reges Treiben herrscht. An der Decke entlang und von der Decke zum Boden verlaufen Rohre. An den Wänden hängen Poster und Handzettel, die von den Leuten, die in beide Richtungen durch den Korridor strömen, nicht beachtet werden. Die Frau, die dich hergebracht hat, geht neben dir her, einen klimpernden Schlüsselbund in der Hand. Männer und Frauen drängen sich an dir vorbei, einige uniformiert, einige fürs Büro, andere lässig, ja fast schlampig gekleidet. Du fragst dich, wie du in deinem Arztkittel aussiehst, aber niemand beachtet dich. Schließlich bleibt die Frau vor einer Tür mit der Nummer 218 stehen, steckt einen Schlüssel ins Schloss, öffnet und bedeutet dir einzutreten.
    Kühle graue Wände. Kein Fenster. Ein grauer Stahlschreibtisch, nichts bis auf eine Dose mit ein paar Bleistiften und verschiedene Fotos– von verblassten Daguerrotypien mit ernst dreinblickenden Männern und Frauen aus dem vorigen Jahrhundert bis hin zu neueren Aufnahmen von Männern und Frauen in zeitgenössischer Kleidung, viele mit einem Kind auf dem Arm oder an der Hand, einige in Uniform. Von der Frau selbst nur ein einziges Foto, das genau in der Mitte der Sammlung steht und auf dem sie zusammen mit einer anderen Frau abgebildet ist, schlank, aschblondes Haar. Die beiden stehen nebeneinander und berühren sich an den Schultern.
    Nehmen Sie Platz, sagt die Frau. Sie zieht einen harten Holzstuhl vor. Dann öffnet sie einen Schrank in der Ecke und nimmt zwei Flaschen mit Wasser heraus. Eine davon reicht sie dir. Hier, trinken Sie.
    Du trinkst gierig. Hattest gar nicht gemerkt, wie durstig du warst. Die Frau sieht, dass deine Flasche leer ist, nimmt sie dir aus der Hand und gibt dir die zweite. Du bist ihr dankbar. Dir tun die Beine und Füße weh, du streifst die Schuhe ab und wackelst mit den Zehen. Es war ein langer Tag im OP , stundenlange Arbeit mit ruhiger Hand, stundenlange Konzentration.
    Die Frau setzt sich an die gegenüberliegende Seite des Tischs. Erinnern Sie sich an irgendetwas, was in den vergangenen sechsunddreißig Stunden passiert ist?
    Ich war bei der Arbeit. Zuerst im OP , dann hatte ich Bereitschaft. Es war eine sehr anstrengende Woche. Ich bin jeden Tag vierzehn Stunden auf den Beinen.
    Wie zum Beweis beugst du die Knie und hebst die Füße. Sie sieht gar nicht hin. Sie konzentriert sich auf das, was sie sagt.
    Ich glaube, Sie waren seit heute Morgen in der New Hope Clinic. Aber davor haben Sie ein ziemliches Abenteuer erlebt.
    Was Sie mir da erzählen, ergibt für mich überhaupt keinen Sinn, sagst du. Doch dann fällt dir auf, dass eigentlich überhaupt nichts so recht einen Sinn ergibt. Warum sitzt du hier zusammen mit einer Fremden? Warum trägst du Kleider, die dir nicht gehören?
    Du betrachtest deine Füße und siehst, dass nicht einmal deine Schuhe dir gehören: Sie sind zu weit und haben die falsche Farbe– rot. Du trägst nie etwas anderes als Sportschuhe und schwarze Pumps. Trotzdem schlüpfst du wieder hinein, stehst mühsam auf, reißt dich los von der Bequemlichkeit, die das harte Holz deinem Hintern und deinen Schenkeln bietet.
    Zeit zu gehen. Nach Hause. Home again, home again, jiggity jig. Du hast ein Bild vor Augen von einem Zug, der an einem Flecken ausgetrockneter Erde vorbeirast, von einer zwischen zwei hölzernen Pfählen gespannten Wäscheleine, an der eine Männerhose, ein Hauskleid und ein paar Kinderkleidchen mit Rüschen hängen.
    Ein großer, dunkelhaariger Mann mit einem sanften, melancholischen Gesicht kniet neben

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