Naechte - fuer die Liebe geschaffen
1.KAPITEL
Entsetzt sah Christina den Mann an. Seine Jeans waren schmutzig, die Stiefel lehmig, und er hatte einen Dreitagebart.
Das markante Gesicht war sonnengebräunt, das dichte schwarze Haar zu lang und ungekämmt. Der Mann war groß, hatte breite Schultern, und die umgeschlagenen Ärmel des karierten Flanellhemdes entblößten muskulöse Arme.
Besorgt beobachtete Christina, wie er über den glänzenden Parkettboden der gemütlichen Lobby ihres kleinen Hotels näher kam, und hoffte, er würde mit seinen schmutzverkrusteten Schuhen nicht auch noch ihren kostbaren Perserteppich betreten.
Sie atmete auf. Er hatte ihn um Millimeter verfehlt.
Dieser ungepflegte Mann hatte in ihrem hübschen, idyllischen "Sleepy Hollow Inn" nichts zu suchen, und sie fragte sich, weshalb er gekommen war. Normalerweise buchten hier nur Paare Hotelzimmer, um ihre Hochzeitsnacht zu verbringen oder ein besonderes Jubiläum zu feiern. "Sleepy Hollow Inn"
war ein Liebesnest in einem kleinen grünen Tal in den Hügeln von Pennsylvania.
Der Mann wirkte nicht gerade so, als stünde ihm der Sinn nach Romantik. Außerdem war er ja allein. Welche Frau würde sich auch mit so einem ungepflegten Mann einlassen?
Mit Wasser und Seife schien er seit Tagen nicht mehr in Berührung gekommen zu sein. Er brauchte dringend ein Bad.
Vielleicht sollte man ihn zunächst mit dem Gartenschlauch abspirtzen, dachte Christina belustigt, als sie sich daran erinnerte, wie ihre Mutter sie und ihre Schwester Anne Marie behandelt hatte, wenn sie nach dem Spielen am Teich völlig verschmutzt nach Hause gekommen waren.
Als er sie nun mit seinen dunklen Augen anschaute, erschauerte sie. Der schwarze Dreitagebart ließ ihn fast ein wenig unheimlich erscheinen. Wie der Unhold in dem Film, den sie neulich gesehen hatte. Der Schurke hatte wehrlose ältere Damen ausgeraubt.
Auch sie war wehrlos. Und alt. Na ja, so alt nun auch wieder nicht. Aber immerhin hatte sie eine Tochter von einundzwanzig Jahren. Zweiundvierzig war eigentlich noch kein Alter. Sicher, sie hatte schon einige graue Haare, aber die tönte sie geschickt.
Zwar war ihre Figur etwas üppiger als früher, doch immer noch schlank. Und Christina war fit. Sie joggte jeden Morgen fünf Kilometer, wenn die Turteltauben in ihren hübschen Zimmern noch friedlich schliefen. Na ja, vielleicht schliefen sie auch nicht.
Ihr gehörte zwar ein Liebesnest, doch das hieß noch lange nicht, daß sie ununterbrochen an Liebe und Sex dachte. Im Gegenteil! Seit Jahren versuchte sie, keinen Gedanken daran zu verschwenden. Das Leben wurde dadurch leichter.
Der Mann legte seine schmutzigen Hände auf ihren antiken Schreibtisch, den sie als Empfangstisch benutzte. "Sie haben es hier aber schön", bemerkte er mit tiefer, etwas rauher Stimme.
"Danke. Was kann ich für Sie tun?" Vielleicht hatte er sich verfahren und wollte sich nach dem Weg erkundigen. Den würde sie ihm nur zu gern zeigen.
"Ich hätte gern ein Zimmer für eine Nacht, falls noch etwas frei ist", sagte er und lächelte.
Christinas Herz begann, schneller zu klopfen. Natürlich könnte sie behaupten, daß sie ausgebucht seien, aber das wäre eine Lüge. Und ihre Mutter hatte sie dazu erzogen, immer bei der Wahrheit zu bleiben.
Und die Wahrheit war, daß sie noch das Dachstübchen frei hatte. Das Zimmer hatte eine Dachschräge und einen kleinen Balkon, von dem aus man einen Blick auf den Garten hatte. Dort blühten jetzt Astern und Chrysanthemen. Aber dieser große schmutzige Mann paßte nicht in das romantische Dachstübchen.
Auf der anderen Seite fand sie es nicht richtig, Zimmer unvermietet zu lassen, weil ein Gast ungepflegt wirkte. Ob er sich dieses Luxushotel überhaupt leisten konnte?
"Wir haben noch ein Zimmer frei", sagte sie so geschäftsmäßig, wie sie konnte. "Allerdings ist es sehr klein."
"Das macht nichts."
Christina schob ihm eine Liste der Zimmer-und Menüpreise zu. "Das sind unsere Preise", sagte sie in der Hoffnung, er würde sich davon abschrecken lassen. Gern würde sie ihm erklären, wie er zum Motel komme, das nur zehn Kilometer entfernt lag.
Dort kosteten die Zimmer sehr viel weniger. Essen konnte man in der Snackbar nebenan. Dort würde sich der Mann doch auch sicher wohlerfühlen.
Er schenkte der Liste kaum Beachtung. "Das ist in Ordnung."
Sie bat ihn, das Anmeldeformular auszufüllen, und sah zu, wie er am Schluß schwungvoll unterschrieb. Er hatte große, rauhe Hände - wie ein Arbeiter.
Jack Millard heißt er also, dachte
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