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Ich hab dich im Gefühl

Ich hab dich im Gefühl

Titel: Ich hab dich im Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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die Frau neben mir heftig zu schniefen beginnt. Auch meine Augen sind voller Tränen, und mir fällt plötzlich wieder ein, wie stolz Dad war, als er mich in meinem Kleid gesehen hat.
    »Schnapp ihn dir«, hat er gesagt.
    Tja, das hab ich anscheinend nicht geschafft. Ich bin von einem Mann versetzt worden, der lieber mit mir essen gehen möchte. So unsinnig das klingt, genau das ist passiert. Ich wollte, dass er meiner Einladung in die Oper folgt, ich habe mir gewünscht, dass die Verbindung, die ich spüre und die er verursacht hat, uns zusammenbringt – nicht das zufällige Treffen im Kaufhaus vor ein paar Stunden. Mir kommt es so läppisch vor, dass er mich gewählt hat, wo das andere doch viel bedeutsamer ist.
    Aber vielleicht liege ich ja völlig falsch. Vielleicht sollte ich mich freuen, dass er sich für das Essen mit mir entschieden hat. Ich werfe einen Blick auf meine Armbanduhr. Vielleicht wartet er im Restaurant auf mich. Aber was, wenn ich hier weggehe, er kommt doch noch, und wir verpassen uns?
    So wogen meine Gedanken hin und her, ein Spiegel der dramatischen Ereignisse auf der Bühne.
    Wenn Justin jetzt seit über einer Stunde allein im Restaurant auf mich wartet – warum lässt er die Verabredung mit mir dann nicht einfach sausen und eilt die paar hundert Meter hierher, zu der geheimnisvollen Person, der er das Leben gerettet hat? Womöglich ist er ja längst hier! Womöglich hat er einen Blick durch die Tür geworfen, hat mich gesehen und ist schnell wieder weggelaufen. Die Gedanken in meinem Kopf bedrängen, verwirren und überwältigen mich so, dass ich nichts mehr von dem mitkriege, was sich um mich herum abspielt.
    Bevor ich recht weiß, wie mir geschieht, ist die Oper vorbei. Im Handumdrehen ist der Vorhang gefallen, das Licht ist wieder an, der Saal leert sich. Traurig trete ich in die kalte Nachtluft hinaus. In der Stadt ist immer noch viel los, die Menschen genießen den Samstagabend. Aber meine Tränen fühlen sich eiskalt an auf meiner Haut, als der Wind sie berührt.
     
    Justin gießt den Rest seiner zweiten Flasche Wein in sein Glas und stellt sie unbeabsichtigt heftig auf den Tisch zurück. Inzwischen ist seine Koordinationsfähigkeit ziemlich beeinträchtigt, und er erkennt kaum noch die Uhrzeit auf seiner Armbanduhr. Aber er merkt, dass das, was man eine vernünftige Wartezeit nennen könnte, längst überschritten ist.
    Er ist versetzt worden.
    Von der einen einzigen Frau, für die er sich seit seiner Scheidung interessiert hat. Mal abgesehen von der armen Sarah. Aber die zählt nicht.
    Ich bin ein schrecklicher Mensch.
    »Entschuldigen Sie die Störung, Sir«, sagt der Oberkellner höflich, »aber wir haben einen Anruf von Ihrem Bruder Al erhalten.«
    Justin nickt.
    »Ich soll Ihnen sagen, dass er noch am Leben ist und hofft, Sie … äh … Sie haben einen schönen Abend.«
    »Er lebt?«
    »Ja, Sir. Er meinte, Sie würden das verstehen, weil jetzt Mitternacht ist. Hat er Geburtstag?«
    »Mitternacht?«
    »Ja, Sir. Leider muss ich Sie auch in Kenntnis setzen, dass wir für heute schließen. Möchten Sie die Rechnung?«
    Justin blickt mit rot geränderten Augen zu ihm auf, versucht zu nicken, hat aber das unangenehme Gefühl, dass sein Kopf zur Seite rollt.
    »Ich bin versetzt worden.«
    »Das tut mir leid, Sir.«
    »Ach, braucht es nicht. Ich hab es verdient. Ich hab eine Person versetzt, die ich nicht mal kenne.«
    »Oh. Verstehe.«
    »Dabei war diese Person so nett zu mir. Wirklich sehr, sehr nett. Hat mir Muffins und Kaffee gebracht, einen Wagen mit Chauffeur, aber ich war trotzdem total fies.« Plötzlich hält Justin inne.
    Vielleicht ist die Oper noch nicht vorbei!
    »Hier.« Er streckt dem Oberkellner seine Kreditkarte entgegen. »Vielleicht kann ich’s noch schaffen.«
     
    Ich schlendere durch die stillen Straßen und ziehe meine Jacke enger um mich. Dem Taxifahrer habe ich gesagt, er soll mich an der Ecke absetzen, damit ich noch ein bisschen Luft schnappen und einen klaren Kopf kriegen kann, ehe ich nach Hause komme. Außerdem möchte ich nicht, dass Dad meine Tränen sieht, und ich bin ganz sicher, dass er in seinem Sessel sitzt wie früher, hellwach und begierig zu erfahren, was ich erlebt habe. Obwohl er natürlich so tun wird, als schliefe er, wenn er meinen Schlüssel im Schloss hört.
    Ich komme an meinem alten Haus vorbei, das ich erst vor ein paar Tagen erfolgreich an den Mann gebracht habe. Zwar haben es Linda und Joe am Ende doch nicht gekauft, denn als

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