Ich knall euch ab!
Auf jeden Fall nach Mitternacht. Brendan saß im Dunkeln auf dem Bordstein vor seinem Haus. Ellbogen auf den Knien, Kopf nach unten. Sah ziemlich fertig aus. Also bin ich zu ihm rüber und habe ihn gefragt, ob alles in Ordnung sei. »Nein«, sagt er, als ob jeder wissen müsste, dass bei ihm ganz und gar nichts in Ordnung sei. Die Frage war dumm, klar, und ich sage: »Entschuldigung.« Da klopft er auf den Bordstein neben sich, was heißen soll: Setz dich.
Also setze ich mich. Ich konnte riechen, dass er Alkohol getrunken hatte, und es kann sein, dass ich eine Bemerkung über einsame Trinker gemacht habe. Jedenfalls fängt er an zu reden, wir beide würden einer Minderheit angehören, er als Außenseiter und ich als Amerikaner mit afrikanischer Abstammung. Und ob ich eigentlich wüsste, dass ich ohne den Football mit ihm im selben Boot sitzen würde? Ich sage, da könnte was Wahres dran sein, aber auch wenn es tatsächlich einige Fanatiker gäbe, sei doch die Mehrheit der Leute, die wir kennen, klug genug, nicht so zu denken.
Er fragt, ob mir klar ist, dass einige der schlimmsten Fanatiker der Schule in der Football-Mannschaft seien. Ich sage, den Eindruck hätte ich ganz und gar nicht. Wir reden noch ein bisschen, dann stehe ich auf und sage, ich müsste ins Bett, weil ich morgen Training habe. Ich frage, ob er auch reingehen will, doch er schüttelt den Kopf und sagt nein, er wolle lieber noch draußen bleiben. Er hat versucht, ganz hart und cool zu tun, aber in Wirklichkeit hat er einen jämmerlichen und schwachen Eindruck gemacht.
Da wir schon ziemlich vertraut miteinander geredet hatten, fragte ich ihn, warum er sich das alles antun würde. Alleine trinken, sich prügeln, überhaupt die ganzen Sachen, die ihn zum Außenseiter machten. Er hat mich bloß von da unten angestarrt. Vielleicht habe ich mir das nur eingebildet, aber irgendwie schimmerten seine Augen wie von Tränen. Und dann hat er gesagt, wenn ich nicht in der Mannschaft wäre, würde ich auch jeden Einzelnen von denen töten wollen. Ich habe geantwortet, es täte mir Leid, aber ich würde das nicht so sehen.
Dustin Williams
Wenn man Englisch in der neunten Klasse unterrichtet, muss man mit allen möglichen seltsamen Dingen rechnen, besonders von einem Schüler wie Brendan Lawlor. Schüler wie ihn erlebt man jedes Jahr. Man hat den Eindruck, in ihrem Kopf spielt sich ein Krieg ab, sie liegen ständig im Kampf mit sich selbst und mit allen anderen in ihrer Umgebung. Brendan hat Gedichte geschrieben, die mir wie Drehbücher zu grauenhaften Actionfilmen vorgekommen sind. In den Gedichten geht es um Schießereien mit automatischen Waffen, abgerissene Gliedmaßen, den Geruch von verbranntem Fleisch, eingeschlagene Schädel, Schulkorridore, die mit Hirn voll gespritzt sind, Bomben, Leute, die um Gnade winseln, bevor ihnen die Kehle aufgeschlitzt wird, und am Ende sprengt sich der Täter selbst in die Luft. Man hätte das beinahe für Satire halten können, nur dass es eben bei einem Schüler wie Brendan todernst gemeint war. Manchmal hätte man ihn am liebsten an den Schultern gepackt, ihn geschüttelt und gesagt: »He, wach auf! Du bist jung. Du hast noch dein ganzes Leben vor dir. Reiß dich zusammen, streng dich an, such dir eine Freundin, geh aufs College, tu endlich was.«
Dick Flanagan, Brendans Englischlehrer
in der neunten Klasse an der Highschool Middletown
Wisst ihr was? Nicht jeder muss tun, was ihr A-löcher verlangt. Eure Kinder haben es vielleicht getan, aber ich und meine Freunde haben beschlossen, es nicht zu tun. Und damit seid ihr nicht fertig geworden, ihr und eure Kinder. Und deswegen habt ihr tun müssen, was dumme, ahnungslose Leute eben so tun, wenn sie etwas nicht kapieren – ihr habt uns angreifen und quälen müssen.
Und ihr Lehrer. Ich dachte, ihr hättet uns beigebracht, dass Amerika ein freies Land ist. Dass Kinder die Möglichkeit haben sollen, anders zu sein, ohne dass uns die Einheitspolizei den Schädel einschlägt und sich über uns lustig macht. Aber genau das habt ihr Lehrer mit mir und meinen Freunden getan. Ihr habt genau wie alle anderen versucht, uns auf eure engstirnigen Erwartungen zu drillen, was wir zu tun und zu lassen haben und wie wir uns anziehen sollen und und und …
Ihr könnt mich mal. Ihr könnt mich alle mal. Ich hoffe, dieser Brief sticht euch ins Herz wie ein Messer. Ihr habt mein Leben kaputtgemacht. Und ich habe es euch nur mit gleicher Münze heimgezahlt.
Gary hat das sowieso alles nur
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