Ich knall euch ab!
Eltern waren genau das Gegenteil – ausgeglichene Leute. Samantha hatte ein ausgesprochen stilles und freundliches Wesen. Vielleicht wurde sie einfach nicht mit ihm fertig.
Kit Conner
Wir haben dauernd Videospiele gespielt. Eins unserer Lieblingsspiele war Need for Speed . Eigentlich muss man da nur das Rennen gewinnen, aber uns hat es viel mehr Spaß gemacht, uns zu rammen und vom Kurs abzubringen. Dann hat Brendan ein Demo aus der Doom -Serie bekommen. Ich weiß noch, dass wir total begeistert waren. Ein paar Wochen lang haben wir nach der Schule nichts anderes mehr gemacht. Dabei war es nur ein Demo! Eines Nachmittags kommt Mrs Lawlor dann ins Zimmer und sagt, Brendan soll den Computer ausmachen und draußen spielen gehen. Aber irgendwie hört er sie gar nicht, so vertieft ist er in das Spiel. Also wiederholt sie das Ganze, und Brendan sagt, sie soll ihn in Ruhe lassen. Er hat nicht mal aufgeblickt. Mrs Lawlor war ziemlich baff, dass er so mit ihr redet. Brendan hat das gar nicht mitbekommen. War zu sehr mit dem Spiel beschäftigt. Aber das war das einzige Mal, dass er in meiner Gegenwart pampig zu ihr gewesen ist.
Brett Betzig
An dem Tag, als Brendan erfuhr, dass er umziehen musste, hat er furchtbar ausgesehen. Er kam ganz blass in die Schule, völlig geknickt. Zuerst dachte ich, bei ihm in der Familie sei jemand gestorben. Er wollte nicht wegziehen.
Julie Shore
Die Lawlors waren ziemlich zugeknöpfte Leute. Außer dieses eine Mal, als Samantha bei mir in der Küche war, hat sie praktisch nie etwas von Brendan erzählt. Ich sage nicht, dass ich das gut oder schlecht finde, aber man hatte immer das Gefühl, dass sie, wenn da was nicht stimmte, lieber allein damit fertig werden wollten, statt es in der ganzen Nachbarschaft breitzutreten. Nicht dass ich jemals einen Grund gehabt hätte zu vermuten, dass bei ihnen was nicht stimmte – abgesehen von dem, was ich Ihnen bereits erzählt habe. Aber ich weiß, dass Brendan über den Umzug sehr unglücklich gewesen ist. In dem Alter ist es schwierig, seine Freunde zu verlassen.
Kit Conner
Brendan kam mir total verloren vor, als er nach Middletown gezogen ist. Es war mitten im Schuljahr, und plötzlich fährt nebenan ein bis unters Dach voll gepackter Lieferwagen vor, und etwa eine Stunde später kommt dann der richtige Umzugswagen. Die Möbelträger schleppen die Sachen ins Haus, und die Familie ist auch die ganze Zeit rein- und rausgegangen. Das muss an einem Wochenende gewesen sein, weil ich mit einem Freund und seiner Mutter irgendwohin gefahren bin. Ich weiß noch, wie ich aus dem Haus komme und Brendan nebenan im Garten stehen sehe. Er hat mich nur angestarrt. Kein Hallo. Kein Winken. Kein gar nichts. Ich glaube, ich habe ihm zugenickt, dann sind wir ins Auto gestiegen und losgefahren.
Als ich später zurückkomme und aus dem Wagen steige, kommt Brendan mit drei Tennisbällen aus dem Haus und geht auf mich zu. Wir fangen an zu reden, und er fragt, auf welche Schule ich gehe, in welcher Klasse ich bin, und was ich von diesem oder jenem Videospiel halte. Tastet mich sozusagen ab. Und jongliert dabei die ganze Zeit mit diesen Tennisbällen. Habe ich damals ziemlich seltsam gefunden.
Dustin Williams, Nachbar von Brendan in Middletown
Ich glaube, in den ersten zwei Wochen hat er gar nichts gesagt. Dass ich ihn überhaupt bemerkt habe, lag nur daran, dass er in Physik und Englisch neben mir in der letzten Reihe saß. Er hatte einen Gesichtsausdruck, na ja, so große Augen – wie einer, den man aus dem Regenwald geholt und dann mitten in New York abgesetzt hat. Ich könnte wetten, drei Viertel der Klasse haben gar nicht mitbekommen, dass er da war.
Ryan Clancy
Wir haben uns dann auf dem Flur unterhalten. Ich meine, ich habe mich sehr um ihn gekümmert, weil er neu war und ich neu war, und da hat man so eine Antenne dafür, wenn einer sich einsam fühlt und unbedingt mit einem reden will. Vielleicht hat man ja sogar was gemeinsam, ganz egal was. Irgendwie ist das so, als ob man gerade mit dem Schiff untergegangen ist und dann im Wasser verzweifelt nach allem greift, was da rumschwimmt.
Emily Kirsch, ehemalige Freundin von Brendan
Um Schüler, die sich an unserer Schule nicht wohlfühlen, habe ich mich immer besonders gekümmert. Glauben Sie mir, jeder, der mitten im Jahr auf eine neue Schule kommt, ist erst einmal verzweifelt. Nach dem ersten Tag habe ich Brendan beiseite genommen und ihm gesagt, ich wüsste, wie schwer es für ihn sei, sich auf die
Weitere Kostenlose Bücher