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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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die Champagnerschale, trinkt auf aller Wohl. Plötzlich zieht der Pulsschlag an, hämmert ungeduldig wie ein rechthaberisches Gewissen, so daß er nicht mehr stillsitzen kann. Einer der Delegierten bemerkt es, hält ihn am Arm fest und fragt:
    »Nix gut?«
    Der Gastgeber springt auf.
    »Nix karascho.«
    Draußen hastet er zwischen flanierenden Paaren. Wo ist Erich mit dem Wagen? Er merkt, daß er in die falsche Richtung läuft. Aber es treibt ihn weiter, in eine Verkehrsstauung. Da ein Taxi.
    »Ins Krankenhaus, schnell!«
    Der Fahrer dreht sich um, werkelt fluchend an der Trennscheibe.
    »Fahren Sie! So fahren Sie doch!«
    Mitleidig mustert ihn der Taxifahrer.
    »Wenns Eahna pressiert, dürfens nicht nach Schwabing.«
    »Fahren Sie! Fahren Sie in eine Seiten...«
    Ein Muskelreflex quetscht das Wort ab.
    »Also gut. Auf Ihre Verantwortung. An sich darf ich da nicht links abbiegen.« Er schert aus, räumt mit der Hupe auf, beschimpft Passanten. Der Boulevard liegt hinter ihnen. »So und jetzt wohin bitte?«
    »Ins Krankenh...«
    Das Wort ertrinkt. Speichelüberschwemmung. Mit den Armen versucht er Eile darzustellen. Ungestüm aber wirkt auf bayerische Gemüter verzögernd. Der Fahrer nimmt den Fuß vom Gaspedal.
    »Da müssens Eahna scho gnauer ausdrücken. Was hammer denn überhaupts?«
    Es krampft im Hals. Die Antwort erfolgt pantomimisch. Mit der Linken vollführt der Fahrgast die auf Laienbühnen übliche Geste für: großer Schmerz. Das versteht der Fahrer; nimmt die Hände vom Lenkrad zu bedauernder Gebärde. »Herz, ojeh!« Er legt den Kopf zurück, sein Dialekt verblaßt zu Hochdeutsch. »Ja, da würde ich meinen, da nähmen wir am besten...«
    Ruckartig zieht der Wagen an. Das Krampfen im Hals läßt für Sekunden nach:
    »Wohin bringen Sie mich?«
    »Wartens ab. Wo ich Sie hinfahr, da ham’s den besten Kundendienst von ganz München.«
    Die Querfalte im Nacken des Fahrers öffnet und schließt sich. Offenbar nickt er. Seine Ohren schimmern wie fette Scampi; Diesel und Herz klopfen um die Wette. Bremsen, Geldschein, Tür, Tür, noch eine Tür, lichtdurchflutete Halle, Sprechsekunden vor neuem Krampf, Information aus weißem Mantel. Den Gang vor, hinten rechts sei die Ambulanz. Die Klinikluft wirkt lindernd; Versuche durchzuatmen ohne Stiche. Dumpf klatschen die Schritte auf dem Kunststoffbelag; ein Ende des Ganges ist nicht abzusehen. Wie viele mochten auf dieser ermüdend weichen, sparbeleuchteten Fernstraße zu Erster Hilfe schon verblutet sein? Endlich fester Kachelboden: die Ambulanz. Linderung versprechende Gerätschaft. Ein Mann mit verbundenem Arm gibt apathisch Auskunft, der Sani sei grad nicht da.
    Solche in ihr Schicksal ergebenen Leidgenossen sind ihm jetzt unerträglich. Er läuft den Korridor zurück, in dunkle Quergänge, kehrt um, läuft, kehrt um. Aus dem Dunkel tauchen Bilder der Erinnerung auf, mischen sich mit der Wirklichkeit. Da steht seine Mutter, der Schwimmlehrer aus der Schule, dort hocken Lemuren um einen Feldwebel, ein Krankenwagen mit Blaulicht, ein Wolf mit Hörnern, eine Gestalt kommt direkt auf ihn zu, mürrisch, auf quietschenden Sandalen: der Sanitäter. Stammelnde Bitte, Kopfschütteln der Unzuständigkeit, Nennung einer Zimmernummer, Wegbeschreibung. Wieder Laufen, über Treppen zu neuen, noch dunkleren Gängen, Ablesen von Zimmernummern mit dem Feuerzeug, Sichstoßen: ein Wagen mit Tragbahre. Schon sieht er sich darauf liegen, mit Kreislaufkollaps, falls in dieser Karitaskaserne doch noch einer aufzutreiben sein sollte, der ihn draufpackt, ein Sandalencharon zur Rollfuhre über den Kunststoffstyx.
    Ein Lichtspalt; schlampig schließende Serientür. Daß ihm das jetzt auffällt? Der Kopf. Der Kopf, der beunruhigt und nicht abzuschalten ist. Selbst die eigene, flehende Stimme registriert er, die graue Maus ganz in Weiß mit der Schwesternhaube, die irgend etwas zusammenlegt, Papierservietten, Handtücher, Verbandmull, das Gefaltete stapelt, hinauf zu den Füßen des Herrn am Kreuz über ihr an der Wand, hinter der Sparbirne. Weiterfaltend telefoniert sie, wählt Nummer um Nummer. Er solle sich setzen, es würde dauern. Merkwürdig, ihr Zusammenlegen beruhigt. Mantra der Verrichtung. Kein Gespräch. Aber Gedanken. In Not, bei Geburt und Tod ist man in fremden Händen.
    Endlich der Mann im weißen Mantel, der Blutdruck mißt, ins Stethoskop lauscht, Kniebeugen verlangt, Atemkommandos erteilt, Drähte anlegt und ihn reden läßt, ohne Blick ohne Antwort: Monteur bei der

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