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Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Titel: Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbort
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ist diese Tragödie tatsächlich einzigartig. Deshalb musste sie dokumentiert werden. Deshalb müssen wir sie zur Kenntnis nehmen.
    Stephan Harbort
    Düsseldorf, im Oktober 2003

Für meine Verlobte Ilona Gantzek.
    Deine Liebe ist die größte Anerkennung.

»Aber sobald das Sexualverbrechen den Gegenstand der
Wollust vernichtet, vernichtet es die Wollust, die gerade nur
im Augenblick der Vernichtung besteht.
Darauf muß man sich ein neues Objekt unterwerfen
und es abermals töten, ein weiteres und nach ihm die
Unendlichkeit aller möglichen Objekte.«
Albert Camus, Ein Schriftsteller
    »Alles ist gut, wenn es maßlos ist.«
    Marquis de Sade, Die Philosophie im Boudoir

    Die geschilderten Ereignisse sind authentisch. Als Quellen für die Rekonstruktion und Dokumentation dienten die 781 Seiten starke Urteilsschrift des Landgerichts Duisburg (Aktenzeichen 14 Js 529/76), polizeiliche Vernehmungsprotokolle, Tatortbefundberichte, Obduktionsprotokolle, forensische Gutachten, glaubwürdige Presseberichte und persönlich geführte Interviews. Ich habe alle Ereignisorte aufgesucht, um mir vor Ort ein Bild zu machen. Die in wörtlicher Rede oder als Dialog wiedergegebenen Sequenzen wurden den genannten Quellen entnommen oder sinngemäß dargestellt. Die beschriebenen inneren Vorgänge der handelnden Personen fußen auf entsprechenden Selbstaussagen. In seltenen Fällen habe ich mir literarische Freiheiten gestattet – ohne dabei den Wahrheitsgehalt im Kern zu verfälschen. Die Namen einiger Personen sind zum Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte geändert worden.

1
                        
                       Er hatte die mit braunem Eichenlaub gemusterte Gardine zugezogen und das Licht ausgeschaltet. Es sollte ihm vom Haus gegenüber niemand dabei zusehen können. Vor langer Zeit schon hatte er einmal vom Dachboden des Nachbarhauses aus zu seinem Küchenfenster herübergeschaut und festgestellt, dass so nichts zu erkennen war. Er setzte sich an das schmale Ende des hellbraunen Holztischs, sodass er den Herd und den Spülstein aus etwa zweieinhalb Metern Entfernung anstarren konnte. Vor ihm auf dem Tisch lag ein Brotmesser mit Wellenschliff, Klingenlänge 18 Zentimeter.
    Seine gelblichen langen Finger betasteten den schwarzen Knauf des Messers. Behutsam. Zögerlich. Langsam ließ er den Daumen der rechten Hand an der Klinge entlanggleiten. Er musste vorsichtig sein, das Messer hatte er kurz vorher nochmals geschärft. Dabei fixierte er den vierflammigen Elektroherd, auf dem ein blauer und ein weißer Kochtopf standen; der blaue mit Deckel, der andere ohne. Er hatte es genauso arrangiert, das war ihm wichtig. Die etwa anderthalb Meter große Puppe, die er mühsam aufgeblasen hatte, gehörte auch dazu. Den dunkelbraunen Rock und die rot-weiß gepunktete Bluse hatte er ihr übergestreift und sie rücklings quer über den Spülstein gelegt.
    Dann stand er auf, ging ein paar Schritte und überzeugte sich nochmals davon, dass der Vorhang nicht die kleinste Möglichkeit bot, ihn und alles andere zu erspähen. Er fürchtete sich vor den neugierigen Blicken seiner Nachbarn, die ihn sowieso nicht verstehen würden. Schließlich drehte er sich beruhigt um und ließ seine rechte Hand über die Bluse der Puppe gleiten. Das Spektakel konnte beginnen.
    Der raue Stoff fühlte sich unendlich geschmeidig an. Seine dünnen Finger wanderten bis zum Hals der Puppe, den er mit der Hand fest umschloss. Er starrte die Puppe unentwegt an, so, als wenn er ihr etwas sagen wollte. Er kniff die Augen zusammen, sein Kiefer begann zu arbeiten, die Lippen zitterten. Doch er blieb stumm. Dann beugte er sich über den Herd. Er schob den Deckel des blauen Kochtopfs vorsichtig ein kleines Stück beiseite und lugte hinein. Die tief liegenden dunklen Augen fixierten das Objekt seiner Begierde. Minutenlang verharrte er so und glotzte. Es inspirierte, es stimulierte ihn.
    Irgendwann hatte er sich satt gesehen. Er schob den Deckel wieder in seine ursprüngliche Stellung. Es musste alles seine Ordnung haben, er durfte sich keinen Fehler erlauben. Nun nahm er vier kleine Kartoffeln und fünf mittelgroße Möhren aus einer Glasschale, die links neben ihm auf der Waschmaschine stand, und legte alles in den weißen Topf. Während seine linke Hand jetzt über die Bluse und den Rock der Puppe streichelte, berührte er mit der rechten den Griff des blauen Topfs. Am liebsten hätte er wieder hineingesehen und sich sofort des Inhalts

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