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talon008

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Titel: talon008 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ritual
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Talon Nummer 8

    „Ritual“

    von
    Thomas Knip

    Stille durchwebte den weiten Saal.
    Einer Statue gleich verharrte der schwarze Löwe auf der Arena und erwartete den hochgewachsenen Mann, der die letzten Stufen hinauf zu der Plattform überwand. Seine glutroten Augen brannten sich auf dem Menschen fest, den er sich als neuen Gegner auserkoren hatte. Etwas Fremdartiges umgab ihn, und das erregte Shions Aufmerksamkeit. In diesem Mann lebte die Seele eines Löwen – wild, ungebändigt, zerrissen von den beiden Naturen, die den Körper beherrschten.
    Die Wunde an Talons Seite schwächte ihn spürbar. Dennoch hielt er dem Blick des schwarzen Schattens stand. Shions Formen schienen in einem ständigen Fluss zu sein. Die Konturen eines Löwen waren deutlich zu erkennen, doch sie waberten um den massigen Körper, lösten sich an einer Stelle auf, nur um an einer anderen wieder zusammen zu fließen. Die Pranken, die den Boden berührten, verschmolzen augenscheinlich mit dem graugrünen Stein wie eine zähe Flüssigkeit, die über die glatte Oberfläche glitt.
    Abwartend stellte er sich am anderen Ende der Arena auf und wartete schweigend.
    Talon sah die Blicke der Menschen nicht, die ihn von der Empore weit über der Arena beobachteten. Shions Garde verfolgte das Schauspiel voller Unruhe. Keiner von ihnen wusste, wie er mit der Situation umgehen sollte. Die Fremden waren Ketzer, die den heiligen Ort während der rituellen Kämpfe entweihten. Seit Urzeiten war es die Aufgabe der Wächter, alle Frevler aufzuspüren und zu richten.
    Dass Shion einem von ihnen die Ehre zukommen ließ, ihn zu einem Kampf herauszufordern, war für die Männer nur schwer zu verstehen. N’kele, Anführer der Garde, stand hoch aufgerichtet am Rand der niedrigen Brüstung und blickte mit glühenden Augen nach unten.
    „Lass’ ihn deine Rache spüren, Herr!“, murmelte er gepresst zwischen den Zähnen hervor. Voller Unmut stieß er das stumpfe Ende des Speers auf den Boden. Er konnte seine Erregung kaum noch unterdrücken.
    Alice Struuten zog sich noch etwas tiefer in den Schatten einer Mauer zurück, als sie die Unruhe spürte, die von den Männern ausging. Auch wenn keiner von ihnen sie oder Janet Verhooven, die dicht neben ihr stand, eines Blickes würdigte, wollte keine der beiden Frauen es auf einen Fluchtversuch ankommen lassen.
    Eine beklemmende Kälte kroch durch den Körper der jungen Fotografin, die in ihrem dünnen T-Shirt zu ersten Mal fror. Alles in ihr versuchte sich mit dieser unwirklichen Situation auseinander zu setzen. Und ein Teil davon weigerte sich standhaft, das Bild für real anzuerkennen. Es war Ende des 20. Jahrhunderts. Die Afrikaner, die sie kannte, waren daran interessiert, mit westlicher Kleidung und einem Handy bewaffnet etwas darzustellen. Keiner von ihnen hielt sich halbnackt in zerfallenen Ruinen auf und folgte einem archaisch anmutenden Ritus.
    Unwillkürlich schüttelte sie den Kopf und wischte sich die Feuchtigkeit aus den Augen.
    „Was wird mit uns geschehen, wenn Talon verliert?“, richtete sie eine leise Frage an Janet. Sie musste eine andere Stimme hören, oder sie fürchtete die Beherrschung zu verlieren.
    Die Angesprochene schob sich eine schweißverklebte blonde Strähne aus der Stirn und seufzte.
    „Das fragen Sie noch?“, kam ihre knappe Antwort. Sie hatte ihren Blick gebannt nach unten gerichtet, vorbei an den Tausenden von Löwen, die das weite Forum ausfüllten.
    Shions Gebrüll zerriss die Wand aus Schweigen. Die wabernden Fasern um seinen Körper verdichteten sich und schlossen sich zu einer einzigen Masse. Langsam setzte er sich in Bewegung und machte einen Schritt auf den Mann zu. Ewigkeiten von Augenblicken standen sie sich nur gegenüber, beobachteten, warteten auf …
     … – den Moment!
    Aus den Kehlen beider Kontrahenten drang ein tiefes Brüllen. In diesem Moment spürte Talon nicht, wie seine menschliche Seite einem dünnen Vorhang gleich zerrissen wurde und darunter etwas zum Vorschein kam, das er selbst nicht kannte. Er sah den schwarzen Körper seines Gegners vor sich und kannte nur ein Ziel. Ihn zu besiegen.
    Beide hetzten aufeinander los. Von einem Feuer der Wut erfüllt stieß er vor und schlug zu. Seine Finger waren zu einer Kralle geöffnet und gruben sich in den schattenhaften Leib. Shions Körper wurde im Schwung abgefangen und taumelte etwas zurück.
    „Ja!“, entfuhr es Alice weit über den Kämpfenden unwillkürlich. Sie presste die Faust auf den Mund und

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