Ich Stell Mein Herz Auf Sommerzeit
ablesen.
Da gibt es zum Beispiel die Frau, die den Wecker hört, hinübergreift, ihn abstellt und aus dem Bett klettert. Eine wundervolle Frau, würde ich meinen, mit gesundem Menschenverstand und praktischem Sinn, durchaus in der Lage, sich der Realität zu stellen.
Andererseits gibt es den Mann, der den Wecker hört, ihn mit Fausthieben zum Schweigen bringt, ihn dann neu stellt und ruft »Haha, du Aas, schön reingefallen, ich hab' noch fünf Minuten.« Ein solcher Mensch ist nicht normal.
Es gibt Männer, die es ablehnen, sich dem täglichen Trott unterzuordnen. Sie dürfen niemals heiraten und vor allem niemals Kinder haben.
Können Sie sich überhaupt vorstellen, wie es ist, wenn man jeden Morgen alle vier, fünf Minuten einen Wecker rasseln hört? Es ist, als schlafe man auf einem Bahnhof!
Leute, die morgens nicht aufstehen können, haben einen falsch synchronisierten Metabolismus. Ein einziges Mal fühlte sich mein Mann wirklich heimisch. Es war im Zoo von Cincinnati, als wir das Haus der Nachttiere betraten. Binnen Sekunden gewöhnten sich seine Augen an die Finsternis, und beim Betrachten der Hamster, Fledermäuse und Eulen sagte er traurig: »Ach, wenn ich es doch auch mal so schön hätte …«
Nachtmenschen hauen sich ihr Leben lang den Kopf an der Dusche, tasten blind nach der Seife, befeuchten sich zum Rasieren aus Versehen mit Mückenspray, fahren ziellos mit dem Löffel neben das Ei und geben schließlich allem, was stillhält, einen Abschiedskuß. Geht dann aber die Sonne unter, werden sie lebendig. Sie sind animiert, strahlen, telefonieren, kochen, treiben Sport und spielen mit dem Hund.
Ihr Leben wäre ja das reinste Paradies, gäbe es nicht die kleine Uhr auf dem Nachttisch, die schrill in ihren Schlaf fährt, wie ein Messer in ihre Augen. Sie ist ihr einziger natürlicher Feind und steht zwischen ihnen und dem fünf Minuten längeren Morgenschlummer.
Neulich war ich schon eingeschlafen, öffnete aber ein Auge nochmals, weil das Zimmer strahlend hell wurde. Mein Mann spielte am Wecker herum. Schließlich lachte er und knipste das Licht aus.
»Was ist denn so komisch?« fragte ich.
»Diesmal hab ich ihn schön reingelegt«, sagte er. »Ich hab ihn auf halb drei Uhr gestellt. Und jetzt kommt der dicke Hund: Ich habe das Läutwerk nicht aufgezogen.«
Dieser Mensch gehört entmündigt.
Ende der Flitterjahre
Neulich las ich, daß Ehen, die mit Scheidung enden, durchschnittlich sechseinhalb Jahre halten.
Warum? Wieso ist gerade nach sechseinhalb Jahren Endstation für diejenigen, die am Altar versprochen haben, einander zu lieben und zu ehren …
An und für sich ist es kein Wunder. Jeder hat von Geburt an seine Toleranzgrenze. Der Garantieschein läuft eben nach 78 Monaten aus. Gegen Ende dieses Zeitraums hat die ehemalige Braut ungefähr 5.406 mal Essen gekocht. Ob gut oder schlecht – an der Qualität wird sich kaum noch was ändern. Die Entscheidung liegt bei Ihnen.
Nach 78 Monaten werden Sie alle seine (ihre) Verwandten kennengelernt haben: den Schwiegervater, dessen Tischmanieren an die Eßgewohnheiten des Neandertalers erinnern; den Bruder, der dauernd Geld pumpen will; die Schwiegermutter, die Ihren Mann ›Baby‹ ruft, obwohl ihm bereits der Bauch über die Gürtelschnalle quillt und sein Haaransatz an die Küstenlinie von Florida erinnert.
Nach sechseinhalb Jahren fällt die Maske. Sonntagsmanieren sind abgetan, Höflichkeit ist nicht mehr gefragt. Seine Füße haben angefangen schlecht zu riechen. Sie hinterläßt immer Zahnpastakleckse im Waschbecken. Er reinigt sich die Fingernägel bei Tisch. Wenn sie sich die Nase putzt, hört es sich an, als zöge sie an einer Wasserspülung.
Nach sechseinhalb Jahren ist die Aussteuer verblichen und zerfetzt. Das durchsichtige Nachthemd wird über Unterwäsche und mit Wollsocken getragen. Die Hochzeitsbilder sind farbstichig geworden; der Fotograf war wohl der Meinung, auch sie brauchten nicht ewig zu halten. Ein Kind ist da, das mit seinen Forderungen den Alltag beherrscht, das gefüttert, getränkt, er- und angezogen, unterhalten und gedrillt werden muß. Hochzeitstage sind jetzt ein Tag wie jeder andere – oder schlimmer. Wenn Sie fragen: »Weißt du, was für ein Tag heute ist?« bekommen Sie zur Antwort: »Ich hab dir doch schon gestern abend gesagt, daß ich den Müll rausgestellt habe.«
Nach 78 Monaten wird die Liebe zu einer Notiz auf dem Täfelchen: Was muß ich heute? – Der Abschiedskuß am Morgen hat so viel Glut
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