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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Bettermann
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alten Brettern herum, die im Hof lagen. Wenn das erledigt war, zog es ihn hinaus zu den Kindern auf die staubige Straße, nachsehen, ob sie ihn noch kannten. Meistens geriet er dann recht bald in eine Prügelei; mein Bruder trug nämlich das Haar als Kind halblang, den griechischen Jungs aber wurden damals im Sommer die Köpfe geschoren – wenn sie ihn aber als koritzaki, Mädchen, verspotteten, schlug er sofort zu. Er musste ja seine Jungs-Ehre retten.
    Währenddessen begab ich mich auf Wiederentdeckungstour durchs Haus und kramte aus Yiayias Schränken gerüschte Unterkleider mit Spitze und altmodische Schuhe mit winzigen Stöckeln hervor; komplett verkleidet stolperte ich in den Hof und wirbelte mit dem Saum der Kleider den Staub auf. Dann hielt ich mit meinen Puppen bei Kaffee aus Erde und Blättern, den ich in Yiayias dünnwandigen Mokkatässchen anrührte,ein Kaffeekränzchen unterm Feigenbaum ab. Erstaunlicherweise schimpfte Yiayia, die fast blind war und angewiesen auf Ordnung, nie über das Chaos, das ich in ihren Schränken anrichtete. Stattdessen kam sie zu mir in den Hof, ließ sich ächzend auf einem der knarrenden Korbstühle nieder und erzählte mir das Märchen von Stachtopoula , dem griechischen Aschenbrödel, dem die Tauben ein Ballkleid von einem Baum werfen. Das muss unser Feigenbaum gewesen sein, dachte ich. Mit solchen Märchen hat Yiayia mich Griechisch gelehrt.
    Einmal war die Yiayia sogar nach München gekommen, angeblich, weil Mama und Papa immer Pech mit den Kindermädchen gehabt hatten. Als sie hörte, dass es Probleme gab, die ihre Enkelkinder betrafen, hatte sie kurzerhand ihren Koffer gepackt, den Pappous zurückgelassen und war mit dem Zug quer durch Europa nach München gefahren. Am Ende blieb sie zwei Jahre. Sie baute uns Hängematten aus Decken und Wäscheleinen und Zelte aus Besenstielen und Laken. Bei unseren sonntäglichen Ausflügen aufs Land rupfte sie am Waldrand jungen Löwenzahn aus, hielt ihn sich ganz dicht vor das Auge, mit dem sie noch ein wenig sehen konnte, und sagte dann zufrieden: »Das gibt einen guten Salat!« Oder sie rieb an einem Grünzeug und hielt mir die Finger unter die Nase, damit ich den köstlichen Duft einatmen konnte. »Daraus macht man Tee«, sagte sie. So lernte ich, Minze von Unkraut zu unterscheiden. Sie war eine Oma wie aus dem Bilderbuch und eine große Abenteurerin. Jedenfalls war immer klar, von wem Mama den Mut, ins Ausland zu gehen, geerbt hatte. Wir Kinder liebten unsere Yiayia wie verrückt.
    Zu Hause in München lebten wir in einer Neubausiedlung und bewohnten eine Etagenwohnung mit Spannteppich, Raufasertapeten und einem winzigen Balkon, der auf eine Grünanlage mit Spielplätzen hinausging. Von den Nachbarbalkonenriefen die Mütter ihre Kinder immer um zwölf Uhr zum Essen nach oben. Dann verschwanden alle und ließen mich und meinen kleinen Bruder allein zurück. Erst lange nach ein Uhr, wenn die Spielgefährten schon wieder hinausdurften, trat unsere griechische Mama auf den Balkon und rief quer über den Spielplatz: »Kiiiiender, Äääähsen!« Bei uns wurde nach südländischem Rhythmus spät gegessen. Und das nahmen wir Mama während unserer ganzen Kindheit übel.
    Sie war eben ein wenig anders als die Mütter der anderen Kinder. Die Familie meines Vaters nannte meine Mutter hinter vorgehaltener Hand »die Schwarze«, und die Nachbarn sammelten Unterschriften, um die Ausländerin zum Auszug zu bewegen. So war das in Deutschland damals. Dabei war Mama gar nicht von Natur aus schwarzhaarig, sondern brünett. Sie färbte sich die Haare bloß dunkler, weil sie das effektvoller fand. Sie war nämlich nicht nur Ausländerin, sondern auch noch Künstlerin – sie hatte Operngesang studiert. Das machte die Sache allerdings nur schlimmer. Wenn Mama sich, zu Besuch bei der deutschen Verwandtschaft, weigerte, ihre Stöckelschuhe an der Eingangstür gegen bereitstehende Gästehausschuhe einzutauschen, weil die Puschen ihr schickes Outfit zerstört hätten, machte sie sich damit keine Freunde. Zumindest nicht beim weiblichen Teil der deutschen Verwandtschaft. Der männliche Teil jedoch warf meinem Vater verstohlen anerkennende Blicke zu, denn meine Mutter sah aus wie eine junge Sophia Loren.
    Ansonsten beschäftigte es uns wenig, dass unsere Mama aus Griechenland kam, das Wort Schnee wie »Schnie« aussprach und meine Freundin Claudia »Clahoudia« nannte. Letzteres war uns höchstens ein kleines bisschen peinlich. Bis auf diesen Akzent war

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