Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich
dass ich aussehe wie auf einem Ball?«, würde sie ihren Mannanzischen, wenn Mama den Raum verlassen hatte. Denn Matina war keine, die etwas auf sich sitzen ließ.
Ich war mittlerweile ein wenig unruhig und postierte mich an der Tür, um nach IHR Ausschau zu halten: Cousine Anna, meiner liebsten Freundin und Seelenverwandten. Endlich kam Tante Youlas Wagen in Sicht, ein kleiner Fiat, den Youla »Bubi« getauft hatte. Die beiden Kinder im Fond winkten uns aufgeregt zu. Es waren Anna und ihr jüngerer Bruder Alexis.
Youla war Tante Matinas jüngere Schwester. Weil sie unverheiratet und kinderlos war und zudem als technische Zeichnerin beruflich nicht so eingespannt wie ihre Schwester, kümmerte sie sich ständig um ihre Nichte und ihren Neffen.
Mit langen Begrüßungsritualen hielten wir uns nicht auf, Anna und ich. Sie kletterte aus dem engen Wagen, packte mich am Arm und sagte nur ein Wort: »Ela, k omm!« Es gab viel zu besprechen, wir hatten einander lange vermisst, und so zogen wir ab in Richtung Innenhof.
Im Haus wurde derweil das Essen vorbereitet. Vom Hof aus konnten wir durch die geöffneten Küchenfenster sehen, wie Yiayia Fleischbällchen in zischende Pfannen warf, und Tante Meri – mit Yiayias Schürze überm Chiffon – Zucchinischeiben in Mehl wälzte. Derweil blätterte Pappous interessiert in einer Ausgabe des Stern aus Mamas Koffer und echauffierte sich über die Oben-ohne-Fotos – schließlich waren Kinder im Haus. In Griechenland wurden damals bei solchen Bildern wenigstens noch Sternchen auf die Brustwarzen gedruckt. Was ich irgendwie viel schmutziger fand. Mama lachte Pappous aus – es waren die frühen Siebzigerjahre, und in Sachen sexueller Revolution war meine Mutter durchaus deutsch – und breitete den Inhalt des Geschenkekoffers auf dem Küchendiwan aus: Spielzeug, kleine Elektrogeräte, Kleider und Nippes kamen zum Vorschein, und Mama erläuterte, was für wen war und wie es funktionierte. Dabei blickte Meri ihr ab und anüber die Schulter und sagte: »Hübsch! Seh un Aaah?« Manchmal nickte Mama, manchmal schüttelte sie den Kopf und sagte: »Nein, Kaoufoff!«, und Meri war beeindruckt. Denn alles, was aus großen Kaufhäusern stammte, galt in Griechenland damals als ungeheuer modern.
Und dann geschah das, wovor ich schon die ganze Zeit Angst gehabt hatte: Es ging zu Tisch. Ein Servierteller nach dem anderen bedeckte die lange Tafel im luftigen Eingangsraum: Auberginenpaste, gebratene Zucchini, frittierte Fischchen, dicke Bohnen, grüne Bohnen, Fleischbällchen (die berühmten griechischen Keftedes ), Salat mit Oliven und riesigen Stücken Fetakäse – bis der ganze Tisch mit Speisen so voll war, dass ich betete, er möge einstürzen. Ich saß eingekeilt zwischen der rundlichen Tante Matina und dem pummeligen Stelios und blickte angeekelt auf die Speisen – mir hatte schon der Fettgeruch aus der Küche den Appetit verdorben. Dann kam die Yiayia und teilte Avgo-Lemono aus, eine Zitronen-Ei-Suppe. »Die erweckt Tote zum Leben«, sagte sie. »Balsam nach der langen Fahrt!«
Onkel Giorgos mir gegenüber hatte seinen Suppenteller in Sekundenschnelle geleert und mit Brot ausgewischt. Nun lud er sich Berge von Vorspeisen auf den Teller. Auch Stelios kaute schon an den Keftedes , die er sich im Dutzend einverleibte. Von einer kleinen Schale vor mir drang derweil ein penetranter Knoblauchgeruch an meine Nase: In ihr befand sich das berüchtigte Tsatsiki , das Yiayia extra für uns zubereitete. Sie selbst vertrug keinen Knoblauch. Auch die übrige griechische Verwandtschaft vermied, wie die meisten Großstadtgriechen, werktags den Genuss von Knoblauch und Zwiebeln – aus reiner Rücksicht. Für uns Deutsche jedoch, die wir im Urlaub waren, und für die nur das Allergriechischste griechisch genug war, gab es Yiayias »Tsatsiki spezial« – »spessiall« ausgesprochen und mit extra viel Knofel.
Der Geruch ekelte mich dermaßen an, dass ich noch nicht einmal mit der Suppe fertig war, als die Hauptgerichte heranschwebten: Huhn und Lammkoteletts mit Pommes oder Spagetti oder beidem zugleich. Am liebsten wäre ich unterm Tisch verschwunden.
Zum Glück war noch niemandem aufgefallen, dass ich immer noch an meiner Suppe löffelte, denn Pappous, der am Kopfende des Tisches thronte, war inzwischen bei seinem Lieblingsthema angekommen: die Kriege gegen die Türken und die kleinasiatische Katastrophe. Seine Stimme schwoll an, der knorrige Zeigefinger tanzte uns vor den Augen herum, und er
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