Ich will doch nur küssen
hergeschickt, damit du mir Frühstück machst? Das ist aber sehr aufmerksam von ihm.« Und fürsorglich. Nicht zu fassen, dass er daran gedacht hatte. Eine Welle der Dankbarkeit erfasste sie.
Rosalita machte sich in der kleinen Küche an die Arbeit. Sie fühlte sich sichtlich wie zu Hause und plapperte ungeniert drauflos, wie sie es immer tat. »Mr. Ethan sagt auch, du hast gestern Nacht zu viel getrunken.« Rosalita hielt inne und schwenkte mahnend den Zeigefinger. »Nicht gut für dich, Faith. Mit Alkohol passieren schlimme Dinge. Ich habe Kind bekommen wegen zu viel Alkohol.« Sie zeigte auf ihren Bauch. »Nimm dich in Acht, besonders wenn du dich einlässt mit diesem bösen Jungen.«
Faith biss sich in die Wange. »Ich lasse mich nicht mit ihm ein, und er ist kein … «
»Böser Junge, ja, ja, ich weiß. Das sagst du, aber er weiß, dass du heute brauchst Kaffee und Frühstück; also ist etwas zwischen euch passiert, nicht?«
Faith atmete tief durch. Sie konnte nicht leugnen, dass Rosalita recht hatte. »Ja.«
»Ich mache ein Omelett.«
Faith wollte gerade Einspruch erheben, denn ihr wurde schon bei dem Gedanken daran flau im Magen, doch Rosalita ließ sie gar nicht erst zu Wort kommen. »Du gehst duschen und dich anziehen, dann du fühlst dich bestimmt besser. Und bis dahin das Frühstück ist fertig. Du musst dich herrichten. Mr. Ethan sagt, du hast um zehn Uhr geschäftliche Besprechung mit ihm. Also, los, los!«
»Was?«, fragte Faith überrascht. »Ich wüsste nicht, was Ethan und ich zu besprechen hätten.«
»Er hat gewusst, dass du das sagen wirst. Deshalb ich soll dich erinnern, dass du zugestimmt hast, sein Haus zu ein… wie sagt man?«
»Einzurichten?«
»Genau. Sein neues Haus einzurichten. Obwohl das Haus sollte dein Haus sein, wenn du mich fragst.« Sie schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf. »Dein Vater, Schande über ihn – ich hätte nie gedacht, dass er ein Verbrecher ist. Aber er hat mich enttäuscht!«
»Mich auch, Rosalita. Mich auch.« Was Ethan anging, kehrte allmählich die Erinnerung an den Monolog zurück, den sie gestern Abend in seiner Gegenwart gehalten hatte. Tja, wie es aussah, hatte sie den Job wohl doch angenommen.
Mist. Sie massierte sich den Nasenrücken. Sie würde nicht nur den Kaffee, die Dusche und das Frühstück brauchen, das er ihr großzügigerweise via Rosalita hatte zukommen lassen, sondern auch eine gehörige Portion Mut, ehe sie sich auf den Weg zu ihrem ehemaligen Elternhaus begeben konnte.
Eine dreiviertel Stunde später war Rosalita wieder gegangen, nachdem sie Faith ein köstliches Omelett, ein Glas kalten, frisch gepressten Organgensaft und noch eine Tasse heißen Kaffee kredenzt hatte. Faith hatte zwar nach wie vor Kopfschmerzen, aber im Großen und Ganzen fühlte sie sich wie neugeboren. Oder jedenfalls fit genug für ein Telefonat mit ihrer Mom.
Zu ihrer Mutter hatte Faith schon seit ihrer Kindheit ein angespanntes Verhältnis. Faith war stets Papas kleine Prinzessin gewesen, weshalb Lanie Harrington seit jeher eifersüchtig auf ihre Tochter gewesen war. Sie missgönnte Faith die Aufmerksamkeit, die ihr Mann ihr zukommen ließ, denn sie selbst fühlte sich von ihm vernachlässigt. Ganz gleich wie sehr Martin Harrington seine Frau auch liebte, sie wollte immer mehr. Immer wieder hatte sie Faith beschuldigt, sie würde ihr die Zeit mit ihrem Ehemann stehlen, wenn er daheim war. Dass Lanie von Haus aus alles andere als eine gute Mutter gewesen war, hatte die Sache auch nicht gerade einfacher gemacht.
Je älter Faith wurde, desto größer wurde die Distanz zwischen ihr und ihrer Mutter, was Faith ganz recht gewesen war, denn auf diese Weise war sie nicht mehr ständig der negativen Art und den unzähligen Forderungen ihrer Mutter ausgesetzt. Mit ihrem Umzug nach New York hatte sich der Kontakt zwischen ihnen dann auf ein absolutes Minimum reduziert. Doch nach den schockierenden Enthüllungen über ihren Vater hatte Faith die Hoffnung gehegt, dass es ihr gelingen würde, die Beziehung zu ihrer Mutter wiederaufleben zu lassen.
Also war Faith nach ihrer Rückkehr nach Serendipity auf sie zugegangen in der Annahme, dass Lanie sie mit offenen Armen willkommen heißen würde. Immerhin war sie einer der wenigen Menschen, die ihren Schmerz und ihre Einsamkeit nachempfinden konnten. Aber Faith hatte feststellen müssen, dass sich die selbstgerechte Einstellung, mit der ihre Mutter ihren Mitmenschen begegnete, kein bisschen geändert hatte,
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