Ich würde dich so gerne kuessen
sich Sorgen machen und so, aber ich bin wirklich die Letzte in meiner Klasse, die noch ihren Eltern Rede und Antwort stehen muss. Das ist nicht nur peinlich, sondern auch schrecklich nervig.
Als alle sich dann eine Runde beruhigt haben, sitzt Mama auf der Bettkante in meinem Zimmer.
»Lügen sind keine gute Basis für diese schwierige Eltern-Teenager-Beziehung.« Sie spricht leise und sanft, die Wut ist verflogen.
»Ja, ich weiß«, gebe ich zu.
»Und ich weiß, dass du glaubst, jetzt erwachsen zu sein. Von mir aus. Noch ein Jahr und dann ziehst du vielleicht sogar aus. Aber Sorgen machen wir uns trotzdem. Und wenn du lügst, müssen wir doch glauben, dass etwas Ernstes dahintersteckt.«
»Nichts Ernstes. Wirklich nicht. Das war nur so im Eifer des Gefechts … vielleicht hat das Tränengas mein Denken behindert.«
»Welches Tränengas?«
»Shit.« Ich beiße mir auf die Zunge.
»Du warst doch wohl nicht in Kreuzberg gestern?«
»Hm. Wie sage ich das jetzt, ohne zu lügen?«
»Frieda!«
Nein, heute wird das mit der heilen Familie und den Kohlrouladen wohl nichts mehr.
Montag, erste Stunde, Französisch. Ich kann diese Sprache nicht leiden, sie ist übertrieben, künstlich, nervig. Frau Azzouni lässt uns irgend so einen Text von Sabine et Pierre lesen. Ich verstehe kein Wort. Pierre et Sabine interessieren mich wirklich einen Dreck. Wenn ich in diesem Fach mit einer Vier minus davonkomme, kann ich von Glück reden. Frau Azzouni hat vielleicht Mitleid mit mir, obwohl sie mich nicht leiden kann, wie alle Lehrer, die Schüler nicht leiden können, welche ihre Fächer nicht mögen. Ich persönlich finde das sehr kleinlich.
Ich mag Schule sowieso nicht besonders. Die Lehrer sind alt, riechen nach Eau de Cologne und behandeln meistens wirklich überflüssige Themen. Der einzige Hoffnungsschimmer ist meine Deutschlehrerin, Frau Obst. Sie ist scharfzüngig und geht mit uns ins Theater. Sie behandelt mit uns unanständige Literatur und schimpft auf die Politiker. Manchmal dürfen wir vorschlagen, welches Thema wir als Nächstes durchnehmen. Außerdem sieht sie auch mal über eine schlechte Note hinweg. Sie gibt sich Mühe mit ihren Schülern und nimmt sie ernst. Außerdem kann sie, wenn nötig, eine richtige Ansage machen, ohne gleich loszubrüllen.
»Frieda? Où sont Sabine et Pierre dans les vacances?«
»Äh … ich … je … ne sais pas. A Paris?«
»Non!«
Mist.
Das mit der Vier minus kann ich wohl voll vergessen.
In der großen Pause schmeißt sich Maja mir an den Hals. Sie ist einen Jahrgang über mir und auch schon mal sitzen geblieben.
»Frieda, Frieda … Wo warst du am Samstag plötzlich?« Sie kneift mich in die Wange, so wie das eigentlich die Aufgabe alter Tanten ist.
»Du hast mich doch sitzen lassen!«, antworte ich, noch genervt von dieser Französischstunde.
»Ach was! Ich würde dich nie irgendwo sitzen lassen. Ich musste nur schnell mal was erledigen. Hast du mal ’ne Zigarette?«
»Nee, kein Geld momentan.«
»Bist du einfach nach Hause abgehauen?« Sie klopft ihre Jackentaschen ab in der Hoffnung, doch noch eine Zigarette zu finden.
»Ich war noch bei Jeffer«, sage ich gespielt unbeeindruckt.
»Was?« Maja reißt die Augen auf, als hätte ich ihr erzählt, dass ich mir die Brüste operieren lasse oder sonst was.
»Hast du was an den Ohren?«
»Du bist ein Flittchen!«, brüllt sie über den ganzen Schulhof, damit es ja alle mitbekommen.
»Reg dich nicht auf, wir haben nur Musik gehört.«
»Ich glaube dir kein Wort!«
»Was hast du in der nächsten Stunde?«, frage ich sie, denn eigentlich würde ich mich ganz gerne ein bisschen mit ihr unterhalten.
»Bio. Du?«
»Mathe. Schwänzen?«, schlage ich vor.
»Schwänzen!«
Wir gehen in eine Eckkneipe in der Nähe der Schule, weil es hier sonst nichts gibt, und weil man draußen Gefahr läuft, einem Lehrer zu begegnen, der gerade Freistunde hat. Die Kneipe heißt Durchhänger und in der Tat hängen hier schon um zehn die ersten ziemlich durch und trinken Korn oder Bier. Die Barfrau lächelt uns an, weil sie uns schon kennt, es ist nicht das erste Mal, dass Maja und ich die Schule schwänzen. Wir bestellen Cola und Erdnüsse.
»Also schieß los, Frieda!« Sie kaut an den Fingernägeln vor lauter Aufregung.
»Ehrlich. Total uninteressant. Es war ein netter Abend, mehr nicht.«
»Mann, ich wäre gerne an deiner Stelle gewesen, dann wäre es mit Sicherheit mehr als nur ein netter Abend geworden.«
»Davon bin ich
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