Klappe, Liebling!: Roman (German Edition)
1
Lucy Armstrong stand auf der Eugene-Talmadge-Memorial-Brücke und beobachtete das Durcheinander, für das sie gerade die Verantwortung übernommen hatte, als sie den schwarzen Helikopter bemerkte, der im Licht der untergehenden Sonne auf sie zukam.
In Anbetracht ihres bisherigen Tages verhieß das nichts Gutes.
Ein paar Meter rechts von ihr fuhrwerkte ihr Regieassistent Gleason Gloom, blind für den Hubschrauber, wie eine wild gewordene Hummel herum und tat sein Bestes, um die apathischste Filmcrew, die Lucy in ihrer gesamten Karriere je erlebt hatte, auf Vordermann zu bringen. Sie war Gloom unendlich dankbar für seine wie immer hervorragende Arbeit. Und noch dankbarer war sie dafür, dass er bis jetzt noch nicht wusste, dass der Koordinator für die Stunts in diesem Film Connor Nash war, der gerade halb hinter seinem schwarzen Stunt-Lastwagen verborgen mit einer übellaunig wirkenden Brünetten stritt.
Natürlich musste Gloom Connor früher oder später bemerken. Ich werde ihm einfach sagen, dass es ja nur für vier Tage ist , überlegte sie. Vier lausige Tage für einen Haufen Geld, und wir sehen bei Daisy und Pepper nach dem Rechten, bringen einen Film für jemand anderen zu Ende, gehen danach wieder nach Hause, und das war’s dann schon, nichts weiter passiert ...
Der Helikopter im Westen kam immer näher. Er flog sehr tief, folgte unmittelbar den Windungen des Savannah River. Ringsherum gab es nichts als Gestrüpp und Bäume, garniert mit Sumpflöchern, und wahrscheinlich lauerten überall Raubtiere. »Das Flachland«, hatte Connor es genannt, als sei das etwas Gutes und nicht nur ein Euphemismus für »sumpfig, mit gelegentlichen Krokodilen«. Und jetzt auch noch der Helikopter – Lucy schwankte, als plötzlich knapp fünfzig Pfund in Form ihrer fünfjährigen Nichte mit voller Wucht gegen ihre Beine prallten und sie fast umwarfen.
»Tante Lucy!«
»Pepper!« Sie kniete nieder und atmete tief den Pepper-Duft von Gummibärchen und Maischips und Johnson’s Baby-Shampoo ein, als sie das kleine Mädchen an sich drückte. »Ich freue mich ja so , dich zu sehen!«, rief sie aus, während sie die Kleine vor- und zurückwiegte und sich dabei bemühte, dem Feldstecher auszuweichen, der um Peppers Hals hing.
Pepper löste sich aus der Umarmung, und ihr blondes, zu einem Pagenkopf geschnittenes Haar schwang um ihr rundliches, strahlendes Gesicht. »Das wird jetzt soo lustig, wo du hier bist. Wir können mit den Barbies spielen und Videofilme anschauen, und ich erzähle dir etwas von meinem Tier des Monats, und wir machen eine Party!« Ihr schlichtes kleines Gesicht leuchtete vor Begeisterung. »Das wird sooo schön!« Wieder warf sie die Arme um Lucys Hals und erwürgte sie fast in einer neuerlichen Umarmung, in der sie den Feldstecher gegen Lucys Schlüsselbein rammte.
»Na klar«, japste Lucy, erwiderte die Umarmung und dachte sich zugleich: Na toll, jetzt darf ich auch noch mit Barbies spielen . Sie löste sich ein wenig aus der Umarmung, um wieder Luft zu bekommen, und stellte fest: »Hübscher Feldstecher!«, während sie sich bemühte, weiteren Rammstößen auszuweichen.
»Den hat mir Connor geschenkt«, erklärte Pepper. »Damit kann ich alles sehen.«
»Schön für Connor.« Über Peppers Kopf hinweg sah Lucy, wie der Helikopter quer über eine Sandbank flog und durch eine unglaublich kleine Lücke zwischen zwei großen Eichen schlüpfte. Der kommt direkt zu uns , dachte sie, und wer auch immer dieses Ding da fliegt, der ist verrückt . Dann hörte sie, wie Connor laut »Nein« rief, und sie blickte hinüber und sah, wie die Brünette eine wütende Grimasse schnitt und ihm widersprach.
Lucy dachte bei sich: Das tut dir gut, Schatz , dann stand sie auf und lächelte Pepper an. »Aber zuerst muss ich arbeiten, deswegen …«
»Ich helfe dir beim Arbeiten«, versetzte Pepper und klammerte sich mit angespanntem Lächeln an sie. »Ich bin deine Assistentin und bringe dir einen Apfel und ein Glas Wasser.«
Lucy nickte. »Du wirst mir eine große Hilfe sein.« Sie nahm das kleine Mädchen bei der Hand und warf wieder einen Blick hinüber zu Connor. Nachdem sie sich vor zwölf Jahren am liebsten selbst in den Hintern getreten hätte, weil sie so blöd gewesen war, ihn zu heiraten, erinnerte sie nun der Anblick seiner breiten Schultern und schmalen Hüften daran, warum damals im Alter von zweiundzwanzig Jahren ihr Gehirn ausgesetzt hatte. Gut, dass ich heute schlauer bin , dachte sie bei sich und warf
Weitere Kostenlose Bücher