Ich würde dich so gerne kuessen
gesagt, dass du widerborstig bist.«
Großartig! Da haben Maja und Jeffer mich schon schön hinter meinem Rücken durchanalysiert.
»Maja weiß gar nichts«, entgegne ich.
»Ja, den Eindruck habe ich allerdings auch.«
Wir fahren in Berlin-Karlshorst ein. Es ist schon zehn durch, ich rufe vom Handy aus meine Eltern an und erzähle ihnen, dass ich heute bei Maja übernachte.
Jeffer grüßt im Vorbeigehen einige Leute, die in einer großen Gruppe unterwegs sind. Die Mädels unter ihnen sehen mich feindselig an. Hab ich irgendwas angestellt? Jeffer zwinkert mir aufmunternd zu. Er nimmt mich an der Hand und zieht mich bei roter Ampel über die Straße, links abgebogen, durch ein verbeultes Tor getreten, eine knarrende Treppe hoch und schon sind wir in seiner Wohnung. Er setzt Teewasser auf. Ich setze mich an den Küchentisch und sehe mir die Fotos an der Wand an. Musiker. Jimmy Hendrix, Jim Morrison, Janis Joplin. In goldenen Lettern die 27. Dann eine Reihe Schwarz-Weiß-Bilder, Gitarren, Mikros, Jeffer am Strand mit Gitarre, Gitarre am Strand ohne Jeffer.
»Seit wann wohnst du allein?« Ich fahre mit meinem Finger über die staubigen Bilderrahmen.
»Drei Jahre, mit sechzehn raus aus dem Familienhaus.«
»So schlimm?«
»Meine Mutter hat mich als schwulen Hund beschimpft.«
»Oh Gott.«
»Ja, mir fiel darauf nicht mehr ein, als mich einfach aus dem Staub zu machen.«
»Und trotzdem tröstest du sie sonntags beim Kaffee«, stelle ich fest und bin wieder mal erstaunt, wie einige Eltern mit ihren Kindern umgehen.
»Sie ist halt meine Mutter.«
Jeffer streicht liebevoll über seine Platten und legt Pink Floyd auf.
»Du stehst auf das alte Zeug, was?«
»Auf das neue zu stehen, ist unmöglich!«
Wir sitzen uns eine Weile gegenüber und keiner sagt ein Wort. Wir lauschen der Musik und ich nehme die Atmosphäre der Wohnung in mich auf. Alte Musik, alte Fotografien, alte verschnörkelte Möbelstücke. Draußen fahren die Autos vorbei und werfen mit ihren Scheinwerfern Schatten an die Küchendecke. Ich trinke meinen schwarzen Tee. Jeffer raucht und sieht aus dem Fenster. Ich werde plötzlich unsicher. Was mache ich eigentlich hier?
Es ist schön, so schweigend am Tisch zu sitzen, aber was soll dann noch kommen? Ich kenne diesen Jeffer gar nicht. Ich gehe eigentlich nicht einfach so mit irgendwelchen Typen mit.
Wahrscheinlich hält er mich für ein Flittchen. Wer weiß, was Maja ihm erzählt hat?
»Sag mal, Frieda, wenn du einen Wunsch frei hättest …«, unterbricht er die Stille.
»Einen Wunsch?«
»Heute, zum Geburtstag zum Beispiel.«
»Puh, ein Wunsch … mein Gott … weiß nicht, man wünscht sich doch so viel.«
» EIN Wunsch.«
»Mann, keine Ahnung, die Weltrevolution, vielleicht, oder dass ich mit George Clooney ins Bett kann. Haha.« Oh Mann, das war vielleicht doof!
»Haha, ja.«
In Wirklichkeit wünsche ich mir nichts mehr, als einfach nur schön zu sein. Richtig schön. Ich bin nicht hässlich, nein, wirklich nicht, eher Durchschnitt. Aber ich hätte gerne eine Porzellanhaut, eine kleine Nase und Hände, deren Nägel es wert wären, mit dunkelroter Farbe lackiert zu werden.
Schöne Menschen können lässig sein, entspannt. Ihnen fallen die guten Dinge einfach in den Schoß. Freunde, Verehrer, gute Noten, alle Blicke auf der Party. Sie müssen sich nicht darum kümmern, dass sie in einer bestimmten Sitzhaltung ein ungünstiges Profil haben oder dass sich ihnen kleine Speckfalten durch das T-Shirt abzeichnen. Sie können einfach nur sein. Laut lachen, damit alle die weißen Zähne sehen, wild tanzen, damit alle die tolle Figur bewundern.
Und dann können sie noch die abgefucktesten Klamotten tragen und sehen damit richtig cool aus.
Ich wäre gerne schön. Aber das sage ich Jeffer natürlich nicht. Das sage ich niemandem. Damit muss ich selber klarkommen.
»Und du? Was wäre dein Wunsch?«, versuche ich, von mir abzulenken.
Jeffer grinst verschmitzt. »Das verrate ich dir ein anderes Mal.«
Er setzt neues Teewasser auf, dann wechselt er die Platte, Led Zeppelin.
»Lass mich raten, du wärst doch gerne Rockstar!«
»Jeder wäre gerne Rockstar«, sagt er, und seine Augen glänzen.
»Ich nicht.«
»Was wärst du denn gerne?«
»Ich würde gerne Filme über Rockstars machen.«
»Ein Groupie also«, witzelt er.
»Vielleicht auch das.« An der Stelle könnte ich ihm eigentlich zuzwinkern, aber schließlich traue ich mich doch nicht.
»Warum treibst du dich eigentlich mit dieser Maja
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