Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
sie zum Fahrstuhl geht –
möchte sie am liebsten losrennen. Sie möchte auch lachen, aber jetzt bekommt sie es mit der Angst.
Geh langsam.
An dem Berg von Tabletts, schmutzigen Gläsern und Tellern von der Party vorbei.
Ihr fallen die Wachleute im Foyer ein.
Das Ding, das in ihrer Hose steckt.
In einem Seitenflur sieht sie die weit offenen, einladenden Türen eines Dienstboten-Fahrstuhls. Und einen Jungen aus Mittelasien mit einem farbfleckigen Stahlwagen voller flacher Quader, die Fernsehgeräte sind. Er sieht sie aufmerksam an, als sie zu ihm einsteigt. Sein Gesicht besteht nur aus Wangenknochen; glänzende, verhangene Augen, und seine Haare sind bis ganz oben rasiert zu einer von den fast senkrechten Frisuren, auf die all diese Typen stehen. Er hat ein Security-Abzeichen vorn an seinem sauberen grauen Arbeitskittel und ein VirtuFax an einer roten Nylonschnur um den Hals.
»Keller«, sagt Chevette.
Sein Fax summt. Er hebt es hoch, drückt auf den Knopf und späht in das Okular. Das Ding in ihrer Radlerhose kommt ihr riesengroß vor. Dann lässt er das Fax wieder auf seine Brust sinken, zwinkert ihr zu und drückt auf einen Knopf mit der Aufschrift B-6. Die Tür schließt sich rumpelnd, und Chevette macht die Augen zu.
Sie lehnt sich an die großen, wattierten Polster an den Wänden und wünscht sich, oben in Skinners Bude zu sein und die Kabel knarren zu hören. Der Boden dort besteht aus einer Schicht rechteckiger Holzfliesen, die hochkant verlegt sind; der oberste Punkt des Kabelbuckels auf seinem Stahlsattel ragt in der Mitte hervor, und Skinner sagt, in diesem Kabel seien 17.464 Stränge. Jeder ist ungefähr so dick wie ein Bleistift. Man kann das Ohr dranlegen und die ganze Brücke singen hören, wenn der Wind richtig steht.
Der Fahrstuhl bleibt völlig grundlos im vierten Stock stehen. Niemand da, als die Tür aufgeht. Chevette will noch einmal auf B-6 drücken, aber sie zwingt sich, zu warten, bis der Junge mit dem Fax es tut. Er tut es.
Und B-6 ist nicht die Garage, in der sie jetzt so gern wäre, sondern ein Labyrinth aus hundert Jahre alten Betontunnels mit Böden aus geborstenen Asphaltplatten und großen alten Rohren, die in Eisenträgern an der Decke entlanglaufen. Sie schlüpft hinaus, während er an einem der Räder seines Wagens herumfummelt.
An die hundert begehbare Gefrierschränke mit Vorhängeschlössern, fünfzig Staubsauger, die sich an einer Reihe nummerierter Stationen aufladen, überbreite Teppichrollen, die wie Baumstämme gestapelt sind. Noch mehr Leute in Arbeitskleidung, manche in Küchenweiß, aber sie bemüht sich um die Attitüde einer Botin und hofft, dass sie aussieht, als ob sie etwas bringen würde.
Sie findet ein enges Treppenhaus und steigt nach oben. Die Luft ist warm und abgestanden. Bewegungssensoren schalten am Fuß jeder Treppe das Licht für sie ein. Sie fühlt das gesamte Gewicht dieses alten Gebäudes auf sich lasten.
Aber ihr Rad ist da, auf B-2, hinter einer Säule aus gezacktem Beton.
»Zurück«, sagt es, als sie noch anderthalb Meter entfernt ist. Nicht so laut wie ein Auto, aber es hört sich an, als wäre es ernst gemeint.
Die Form des Rahmens mit dem Papierkern und der Karbonfaserhülle unter der Beschichtung aus aufgesprühtem Rostimitat und dem kunstvoll drumgewickelten silbernen Klebeband lässt Chevettes Schenkel zittern. Sie schiebt die linke Hand durch die Erkennungsschlaufe hinter dem Sattel. Es gibt ein kleines, zweifaches Zick , als sich die Partikelbremsen lösen, dann sitzt sie drauf.
Sie hat sich noch nie so gut gefühlt wie jetzt, als sie die ölfleckige Rampe hinaufstrampelt und hinausfährt.
4 KARRIERECHANCEN
Rydells Zimmergenosse Kevin Tarkowsky hatte einen Knochen durch die Nase und arbeitete in einer Windsurf-Boutique namens Just Blow Me. Als Rydell ihm am Montagmorgen erzählte, er würde bei IntenSecure aufhören, bot Kevin ihm an, ihm einen Job als Verkäufer für Strandartikel zu besorgen.
»Im Grunde hast du ’ne ganz gute Figur«, sagte Kevin mit einem Blick auf Rydells nackten Oberkörper. Rydell hatte noch die orangefarbenen Shorts an, die er bei seinem Besuch bei Hernandez getragen hatte – eine Leihgabe von Kevin. Er hatte gerade eben seinen Verband abgenommen, die Luft herausgelassen, ihn zusammengeknüllt und in den fünf Gallonen fassenden Farbtopf aus Plastik geworfen, der als Abfalleimer diente. Der Topf hatte einen großen Aufkleber mit Gänseblümchen an der Seite. »Du könntest aber ’n bisschen
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