Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
es die
Kinder für ihre Spiele benutzten. »Setz ihn auf. Ich wähle für dich.«
»Das ist nett, Kevin«, sagte Rydell, »aber du brauchst dir nicht so viel Mühe zu machen.«
Kevin fasste sich an seinen Nasenknochen. »Naja, die Miete …«
Das stimmte. Rydell setzte den Helm auf.
»Jetzt sehen wir hier«, sagte Sonya so keck wie nur was, »dass Sie dieses Ausbildungsprogramm für Absolventen der höheren Schule erfolgreich abgeschlossen haben …«
»Die Akademie«, verbesserte Rydell. »Bei der Polizei.«
»Ja, Berry, aber wir sehen hier auch, dass Sie danach ganze achtzehn Tage im Dienst waren, bevor Sie suspendiert wurden.« Sonya sah wie ein hübsches Mädchen in einem Comic aus. Keine Poren. Überhaupt keine Struktur, nirgends. Ihre Zähne waren sehr weiß und wirkten wie eine Einheit, wie etwas, das man zwecks genauerer Inspektion im Ganzen herausnehmen konnte. Aber nicht zum Putzen, denn das war nicht nötig; Comicfiguren aßen nicht. Sie hatte aber prächtige Titten; genau die Titten, die Rydell ihr gemalt hätte, wenn er ein talentierter Comiczeichner gewesen wäre.
»Naja«, sagte Rydell und dachte an Turvey, »ich hatte ’n bisschen Ärger, auf Streife.«
Sonya nickte strahlend. »Das sehe ich, Berry.« Rydell fragte sich, was sie sah. Oder was das Expertensystem, das sie als Marionette benutzte, sehen konnte. Oder wie es sah. Wie sah jemand wie Rydell für das Computersystem einer Arbeitsvermittlung aus? Nicht sonderlich toll, dachte er.
»Dann sind Sie nach Los Angeles gezogen, Berry, und wir sehen hier, dass Sie zehn Wochen bei der IntenSecure Corporation tätig waren, in der Abteilung für bewaffneten Streifendienst in Wohngebieten. Fahrer mit Erfahrung im Umgang mit Waffen.«
Rydell dachte an die Raketenlafetten unter dem LAPD-Chopper. Wahrscheinlich hatten sie da drin auch eins dieser CHAIN-Gewehre gehabt. »Jawoll«, stimmte er zu.
»Und Sie haben bei IntenSecure gekündigt.«
»Hab ich wohl, ja.«
Sonya strahlte Rydell an, als ob er gerade schüchtern eingeräumt hätte, Kongressabgeordneter zu sein oder einen Professorentitel zu haben. »Nun, Berry«, sagte sie, »dann will ich mal eben meine Denkmütze aufsetzen!« Sie zwinkerte und schloss dann ihre großen Comicaugen.
Du liebes bisschen, dachte Rydell. Er versuchte, zur Seite zu schauen, aber Kevins Helm hatte keine periphere Sicht, also war dort nichts zu sehen. Nur Sonya, das leere Rechteck ihres Schreibtisches, skizzenhafte Details, die ein Büro andeuteten, und das Logo der Arbeitsvermittlungsagentur hinter ihr an der Wand. Mit dem Logo sah sie aus wie die Sprecherin auf einem Kanal, der nur sehr gute Nachrichten brachte.
Sonya öffnete die Augen. Ihr Lächeln wurde weißglühend. »Sie sind aus dem Süden «, sagte sie.
»Mhm.«
»Plantagen, Berry. Magnolien. Tradition. Aber auch eine gewisse Düsterkeit . Ein Hauch von Horror. Faulkner.«
Folk …? »Hm?«
» Nightmare Folk Art, Berry. Ventura Boulevard, Sherman Oaks.«
Kevin sah zu, wie Rydell den Helm abnahm und eine Adresse samt Telefonnummer auf die Rückseite der People -Ausgabe von letzter Woche schrieb. Die Illustrierte gehörte Monica, der Chinesin in der Garage; sie ließ sich ihr Exemplar immer so ausdrucken, dass nie etwas über Skandale oder Katastrophen drinstand, dafür aber dreimal so viele romantische Geschichten über berühmte Leute, in erster Linie alles, was mit der britischen Königsfamilie zu tun hatte.
»Was für dich dabei, Berry?« Kevin machte ein hoffnungsvolles Gesicht.
»Kann sein«, sagte Rydell. »So ein Laden in Sherman Oaks. Ich geh mal vorbei und seh ihn mir an.«
Kevin fummelte an seinem Nasenrücken herum. »Ich kann dich mitnehmen«, sagte er.
Im Fenster von Nightmare Folk Art hing ein großes Gemälde der Apokalypse. Rydell kannte solche Bilder von den Seitenwänden christlicher Wohnmobile, die bei Einkaufszentren geparkt waren. Haufenweise blutbesudelte Autowracks und Katastrophen, und die erlösten Seelen flogen alle nach oben zu Jesus, dessen Augen so hell strahlten, dass sie fast schon ein bisschen unangenehm waren. Dieses Bild war jedoch erheblich detaillierter als die anderen, an die er sich erinnerte. Alle erlösten Seelen hatten ein eigenes, individuelles Gesicht, als ob sie wirklich jemand Bestimmten darstellen würden, und ein paar von ihnen erinnerten an berühmte Leute. Aber es sah trotzdem so aus, als ob das Bild von einem Fünfzehnjährigen oder von einer alten Frau gemalt worden wäre.
Kevin hatte
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