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Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Titel: Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Innenseite des Armbands, aber da war nichts, kein Markenzeichen, keine Signatur. »Wenn du doch reden könntest«, sagte Fontaine, den Blick auf die Uhr gerichtet.
    Und was, so fragte er sich, würde sie ihm erzählen? Vielleicht würde sich herausstellen, dass sie noch weitaus unglaublichere Abenteuer erlebt hatte als jenes, bei dem sie in den Besitz des Jungen gelangt war. Er stellte sie sich einen
Moment lang am Handgelenk eines Offiziers in der burmesischen Nacht vor, eine Leuchtkugel explodiert über einem Hügel im Dschungel, Affen schreien …
    Gab es Affen in Burma? Er wusste, dass die Briten dort gekämpft hatten, als diese Uhr herausgebracht worden war.
    Er schaute durch das zerkratzte, grünliche Glas der Tresenabdeckung. Uhren, jedes ihm zugewandte Zifferblatt ein kleines, eingeschlossenes Gedicht, ein Museum im Taschenformat, die Zeiten hindurch den Gesetzen der Entropie und des Zufalls unterworfen. Diese winzigen Werke, deren juwelenbesetztes Herz schlug. Die sich durch die Reibung von Metall auf Metall abnutzten. Er verkaufte nur überholte Sachen, alles war gereinigt und geölt. Neue Ware brachte er zu einem mürrischen, aber äußerst geschickten Polen in Oakland, der die Uhren reinigte, ölte und ihre Ganggenauigkeit überprüfte. Und das tat Fontaine nicht, um ein besseres, zuverlässigeres Produkt anzubieten, sondern um sicherzugehen, dass jede von ihnen in einem von Grund auf feindlichen Universum bessere Überlebenschancen hatte. Es wäre ihm schwergefallen, das irgendwem gegenüber zuzugeben, aber es stimmte, und er wusste es.
    Er steckte die Jaeger-LeCoultre wieder in die Tasche und rutschte vom Hocker. Stand da und starrte mit leerem Blick in eine verglaste Vitrine. Auf dem Bord in Augenhöhe waren militärische Dinky Toys und ein Randall Model 15 »Airman« ausgestellt, ein gedrungen wirkendes Nahkampfmesser mit Sägezahnrücken und schwarzen Micarta-Griffschalen. Mit den Dinky Toys war gespielt worden; durch abgestoßene grüne Farbe schimmerte stumpf graues unedles Metall. Das Randall war fabrikneu, unbenutzt, nicht nachgeschliffen; die Edelstahlklinge war genauso, wie sie das Schleifband verlassen hatte. Fontaine fragte sich, wie viele solche Messer tatsächlich nie benutzt worden waren. Als totemartige Objekte verloren sie erheblich an Wiederverkaufswert, wenn sie nachgeschliffen wurden, und er hatte
den Eindruck, dass sie fast wie eine Art rituelle und weitestgehend männliche Währung zirkulierten. Er hatte momentan zwei am Lager; das andere war ein spitzer kleiner Dolch mit blattförmiger Klinge und ohne Heft, angeblich für den amerikanischen Secret Service angefertigt. Die beste Datierung war der Herstellername auf den Scheiden mit den Steppnähten, und er schätzte, dass sie beide ungefähr dreißig Jahre alt waren. Solche Objekte bargen für Fontaine nicht viel Poesie, obwohl er den Markt kannte und wusste, wie man den Wert eines Stückes bestimmte. Wie die Auslage jedes Ladens, der Armeerestbestände verkaufte, zeugten sie für ihn in erster Linie von männlicher Angst und Machtlosigkeit. Doch nun wandte er sich ab, denn er sah die sterbenden Augen eines Mannes, den er in Cleveland erschossen hatte, möglicherweise in dem Jahr, in dem eines dieser Messer angefertigt worden war.
    Er schloss die Tür ab, hängte das GESCHLOSSEN-Schild dran und ging ins Hinterzimmer, wo er den Jungen noch genauso vorfand, wie er ihn verlassen hatte, im Schneidersitz, das Gesicht unter dem klobigen alten Datenhelm verborgen, der mit dem offenen Notebook auf seinem Schoß verkabelt war.
    »Na«, sagte Fontaine, »was macht die Angelei? Schon was gefunden, wofür wir deiner Meinung nach ein Gebot abgeben sollten?«
    Der Junge drückte weiter monoton eine einzelne Taste am Notebook. Der Datenhelm wippte im Takt dazu leicht auf und ab.
    »He«, sagte Fontaine, »du holst dir noch ’nen Netzbrand. «
    Er hockte sich neben den Jungen, verzog bei den stechenden Schmerzen in den Knien das Gesicht. Er klopfte einmal an die graue Kappe des Datenhelms und nahm ihn ihm dann sanft ab. Die Augen des Jungen zwinkerten heftig, tränten im verschwundenen Licht der winzigen Bildschirme.
Seine Hände klickten noch ein paarmal am Notebook herum, dann hörten sie auf.
    »Mal sehen, was du gefunden hast«, sagte Fontaine und nahm ihm das Notebook ab. Geistesabwesend drückte er auf ein paar Tasten, neugierig, was der Junge mit Bookmarks versehen haben mochte.
    Er hatte Auktionsseiten erwartet, die jeweils einen Scan und

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