Illettrismus Version Open Doc
knacken ließ.
„Okay, dann musst du mir nur noch erklären, was du unter ‚oder‘ genau verstehst, damit wir auch beide vom selben sprechen.“
„Unter ‚oder‘ meine ich das Gleiche wie du.“
Genervt verdrehte Silas die Augen. Dieser Mann hier war ein Meister in ausweichenden Antworten und hatte dies vermutlich in den letzten Jahren perfektioniert, schon nur deshalb, weil er dies brauchte, um das Geheimnis nicht zu gefährden.
„Nun gut, dann sage ich dir jetzt einfach, was ich darunter verstehe, okay?“ Ein kaum merkbares Nicken seines Gegenübers ließ Janik weitersprechen. „Unter ‚oder‘ verstehe ich…“ Silas konnte sehen, wie Boris‘ Blick an seinen Lippen hing und auf weitere Worte wartete, was ihm ein Lächeln abverlangte. „…dass ich mich in dich verliebt habe.“
So, jetzt war es raus! Eigentlich hatte er sich erhofft, dass Boris ihn nun in die Arme reißen würde, um ihm unter stürmischen Küssen dasselbe Geständnis zu machen, doch der Russe reagiert völlig anders. Mit einem Ruck befreite er sein Gesicht aus Silas‘ Griff und wandte sich ab.
„Tja, ich denke, das ist eine klare Antwort. Ich dachte, du fühlst ebenso für mich, oder zumindest habe ich gehofft, dass du mich etwas magst“, sagte Silas leise und fühlte, wie Tränen hinter seinen Augen brannten, die er jedoch energisch zurückdrängte. Diese Schmach wollte er nicht auch noch hinnehmen.
Gerade als er sich umdrehen wollte, um das Zimmer zu verlassen, bemerkte er, wie Boris‘ Schultern zuckten und dieser leise die Nase hochzog. Schnell umrundete Silas den anderen und blickte in das geliebte Gesicht, über das sich nun Tränen ihren Weg suchten.
„Boris? Was ist denn?“
Besorgt wischte er dem Russen die Tränen von den Wangen, die jedoch nicht versiegen wollten.
„Was willst du denn mit mir? Früher oder später wirst du dich mit mir langweilen, weil du mit mir nie über eines deiner heißgeliebten Bücher sprechen kannst. Oder noch schlimmer, du wirst dich für mich schämen. Stell dir vor, wir würden mit deinen Freunden essen gehen: Du müsstest mir die Speisekarte vorlesen oder für mich gleich mit bestellen, weil ich zu so etwas einfach nicht fähig bin.“
„Ich hätte keine Probleme damit und würde ganz einfach zu dir stehen. Du gefällst mir so wie du bist und von Langeweile kann ja wohl wirklich nicht die Rede sein.“
„Ja, ficken kann ich“, antwortete Boris ablehnend.
„Verdammt nochmal, jetzt reicht es aber. Ich habe dir gerade meine Liebe gestanden und du zergehst hier in Selbstmitleid. Ich sag dir jetzt mal was, mein Lieber. Ich mag dich nicht nur, weil du im Bett eine Granate bist, sondern weil ich mich in deiner Gegenwart einfach wohlfühle. Ich höre dir gerne zu, wenn du etwas erzählst, du hast einen tollen Humor und du bist der zärtlichste und liebevollste Mann, dem ich je begegnet bin. Und was das Lesen anbe…“
Weiter kam Silas nicht, denn endlich hatte sich Boris entschlossen, Taten sprechen zu lassen und ihn in die Arme gezogen, um seinen Mund leidenschaftlich zu erobern. Oh ja, genau danach hatte er sich schon seit Tagen gesehnt. Niemand hatte es je fertiggebracht, ihn nur mit einem Kuss solch weiche Knie zu verschaffen.
Trotzdem musste er noch den Satz beenden, weshalb er Boris etwas zurückschob und nochmals ansetzte, wenn auch um einiges atemloser: „Und was das Lesen anbelangt: Da ist noch lange nicht aller Tage Abend, mein Süßer. Wir werden jede freie Minute daran arbeiten, bis du es kannst. Wir könnten mit dem Buchstaben ‚a‘ wie anal beginnen, was meinst du?“
Glucksend zog Boris ihn wieder in seine Arme und ließ die Zunge aufreizend über seinen Hals bis zum Ohr hochgleiten.
„Ich kann das Alphabet aber schon, und dein ‚anal‘ sieht definitiv eher wie ein ‚o‘ aus.“
Lachend löste sich Silas von seinem Russen und nahm ihn bei der Hand, um ihn in Richtung Schlafzimmer zu führen.
„Mag sein, aber ich sehe, dass du meine Lehrmethode nicht völlig ablehnst.“
„Ganz im Gegenteil, ich habe hier in meiner Hose ein großes ‚i‘, dass sich definitiv darauf freut, sich in dein ‚a‘ zu versenken, auch wenn es eher ein ‚o‘ ist.“
Schnell hatten sie sich ihrer Kleider entledigt und fielen in leidenschaftlicher Umarmung aufs Bett. Hier und jetzt war nicht die Zeit für ein endloses Vorspiel, das war ihnen beiden bewusst, denn zu lange hatten sie die Nähe des anderen entbehrt und
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