Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)
sind zu nennen: je ein Strohsack, ein Federbett, zwei Polster, vier Kissen, ein Paar Leilacher, zwei Decken, ein Bett aus Werch. Hinzu kommen an Kleidern drei Pfaiten, ein Paar leberfarbene Hosen samt dazupassendem Rock aus Wolltuch, gefüttert; ferner ein grober Wappenrock, eine lederne Joppe, ein schwarzer Hut, ein Werktagskleid, ein Harnisch –
Da erzählt das Haus doch schon zumindest so viel, dass man sich von seinem Besitzer ein wenig ein Bild machen kann. Und da es in anderen Häusern ähnlich ausgesehen haben dürfte, wohl auch eine Waffe zu jedem Haushalt gehörte –
Woher hast du das?
Aus dem Stadtarchiv. Oder glaubst du, ich erfinde eine Biographie, um dich auf deine Endlichkeit hinzuweisen? Brauche ich nicht, das können die Häuser viel besser. Doch wenn du es weniger schwülstig haben möchtest: Nenn es Palaver, was sie von sich geben, gut möglich, du hast den einen oder anderen Satz schon gehört. Denkbar aber auch, dass du so manchen vergessen oder schlicht ignoriert hast, weil er dich auf eine Geschichte hinweist, die dir absolut nicht in dein Bild von dieser Stadt passt. Wobei die Wahl der Stadt keine Rolle spielt, Häuser gibt es schließlich überall.
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Konz Speiser, murmelte ich vor mich hin, wie mag er ausgesehen haben in seiner leberfarbenen Kluft, am Haupt den schwarzen Hut? War er verheiratet, hatte er Kinder? Ich fing an, im Gewölbe auf und ab zu gehen, hörte meine Schritte, wie sie verhallten, blieb plötzlich stehen:
Das Haus, in dem ich wohne, weißt du, wer es einst besaß?
Die Türings, antwortete er prompt, als hätte er auf meine Frage gewartet, die Türings, eine angesehene Familie, Konz Speiser war sie bestimmt bekannt. Erzherzog Sigmund soll den alten Türing einst aus Memmingen nach Innsbruck berufen haben, die Stadt brauchte Maurer in jener Zeit.
Maurer?
Damals galt der Beruf eben noch weit mehr als heut. Und wie gesagt, die Zuwanderer bringen die Städte zum Blühen, gerade was die Baubranche angeht, ist Innsbruck auf ausländische Handwerker angewiesen. Freilich, er gilt als Koryphäe, dieser Niklas Türing, den jeder nur Meister Niklas nennt. Sein Ruf als Steinmetz bringt ihn in die Stadt, bald schon fungiert er als Werchmaister und somit als technischer Leiter für diverse Bauwerke. Das ist nur der Anfang einer Karriere, ohne deren Zustandekommen die Stadt um vieles ärmer geblieben wäre. Kannst du sie dir ohne Goldenes Dachl vorstellen? Ohne Hofkirche?
Er hielt immer noch die Mappe in Händen, ich setzte mich neben ihn.
Niklas Türing ist verheiratet mit Margarethe und hat zwei Kinder, eines davon, Gregor, wird ebenfalls Maurer, dessen Sohn Niklas später auch. Von ihm, Niklas Türing junior, stammt der Torbogen am Haus, in dem du wohnst. Schaust du dir dieses Renaissanceportal genau an, spazierst du unweigerlich mit offeneren Augen durch die Stadt. Ich garantiere dir, du kommst den drei Türings nicht aus, sie sind bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts für die Innsbrucker Baukunst bestimmend. Die Häuser und Gebäude, die sie schaffen, erzählen dir von einer Zeit, in der –
Von welchen Häusern sprichst du?
Vom Precht-Haus in der Altstadt zum Beispiel, es weiß eine Geschichte wiederzugeben, die dich in eine der heutigen Buchhandlungen dieser Stadt begleitet. Ich spreche auch vom Burgriesen-Haus, vom Deutschordens- und vom Trautson-Haus, von all den in Reiseführern verzeichneten Perlen, die vom Fassadenschmuck bis hin zur klaren Grundrissanlage die ästhetische Vorstellung einer Epoche verraten. Dass diese der landesfürstliche Geschmack maßgeblich prägt, versteht sich, aber was sind Herrscher ohne Maurer und Zimmerer, Gerber und Schmiede, ohne all die Konz Speisers.
Mein Blick glitt über die Rollsteinmauer, ich lehnte mich zurück.
Konz Speiser überlebt Maximilian um sieben Jahre. Was hält er vom Landesherrn, ereifert er sich mit Freunden im Wirtshaus über des Fürsten Ausspruch – „Tirol ist eine Geldbörse, in die man nie umsonst greift“? Den Wirten muss dieser Satz doch übel aufstoßen, blicken sie auf die unbezahlte Zeche, die Maximilians Hofstaat bei ihnen hinterlässt.
Die Innsbrucker Wirte, die sind ein Kapitel für sich.
Die Gaststube unter deiner Wohnung ist im Jahr 1640 erstmals bezeugt. Hans Hoffman war damals der Wirt, und ich bin mir sicher, er hätte seine Berufskollegen aus dem Jahr 1518 lautstark unterstützt. Der Protest kam ja nicht von ungefähr, auch wenn er Maximilian persönlich ziemlich egal sein konnte – ist ein
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