Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)
in der Altstadt oder –
Und die Türings, werden sie auch in den Adelsstand erhoben?
Nein, aber immerhin sind sie Hofbaumeister. Und als solche genießen sie einen guten Ruf in der Stadt. Viel unterwegs sind sie, die ehemaligen Besitzer des Hauses, in dem du jetzt wohnst, es heißt, der alte Türing sei mit Plänen und Kostenvoranschlägen eigens nach Augsburg zum Kaiser geritten, um sich mit ihm über den Umbau der Hofburg zu beraten. Für seine Bauvorhaben findet Türing einen kongenialen Partner – den Hofmaler Jörg Kölderer. Die beiden kannst du dafür verantwortlich machen, dass du immer zu spät zu einem Termin kommst, weil du um die Altstadt lieber einen großen Bogen machst aus Angst vor wütenden Touristen, denen du zu oft schon eine Photographie vermasselt hast. Dabei kann man den Groll der Gäste verstehen, du störst ein Bild, auf das Reiseführertexte sie vorbereiten:
„In der phantasievollen und harmonischen Verbindung von Architektur, Plastik und gemalter figürlicher und architektonischer Darstellung sowie im renaissancehaften Realismus der Thematik und der Durchbildung repräsentiert das Goldene Dachl eine in erster Linie durch die Persönlichkeit des Kaisers geprägte, der Donauschule teils voran-, teils parallelgehende Hofkunst, deren ausübende Organe Jörg Kölderer und Niklas Türing waren.“
Und jetzt trau dich noch, über Touristen zu schimpfen, sie nehmen Sätze von atemberaubender Länge in Kauf, um der Stadt Devisen zu bringen. Insofern sind die Schulden, die Maximilian bei den Wirten hinterließ, schon allein durch das Goldene Dachl tausendfach abbezahlt. Ohne Maximilian kein Fremdenverkehr, schon Konz Speiser wird das festgestellt haben, wurde er doch wiederholt Zeuge der Karawanen, die sich über die Innstraße stadteinwärts wälzten, weil irgendein Ereignis die Stadt für kurze Zeit zum Nabel des Reichs werden ließ, so zum Beispiel 1503. Waren Meister Niklas und seine Margarethe Zeugen des Spektakels, das im heutigen Dom stattfand?
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Was Dürer für die Malerei, bedeutet Hofhaimer für die Musik, soll Paracelsus gesagt haben. Und genau dieser Hofhaimer, europaweit anerkannt als Organist, spielt 1503 zusammen mit den besten Sängern und Instrumentalisten jener Epoche den Innsbruckern auf, ein Zeitzeuge berichtet euphorisch: „Es war die melodiöseste Sache, die man zu hören bekam.“ Vokale Musik im Einklang mit instrumentaler wird geboten, der vielfache Einsatz von Posaunen erzeugt einen feierlichen Charakter, der bei den Zuhörern Begeisterungsstürme auslöst. Hinzu kommt, dass die Besetzung des Orchesters eine außerordentliche ist, gewissermaßen eine Folge aus Maximilians erster Ehe. In Burgund nämlich machte der Kaiser eine Erfahrung, die sein Leben veränderte. Was er dort zu sehen, vor allem zu hören bekam, versuchte er fortan zu übertreffen.
Als Maximilian 1494 die burgundische Musikkapelle, damals vielen das Maß aller Dinge, an seinen Sohn Philipp übergibt, setzt er alles daran, ein eigenes Orchester zu gründen. Dabei greift er zum Teil auf Musiker wie Paul Hofhaimer zurück, die schon unter Erzherzog Sigmund arbeiteten, den Rest des Ensembles sucht er sich auf seinen Reisen durchs Reich zusammen. Weißt du, was mich immer gewundert hat?
Wirst es mir gleich sagen!
Ich verstehe nicht, warum man mir in der Schule stets damit in den Ohren lag, Innsbruck sei Maximilians Lieblingsstadt gewesen. De facto hat er ein durchaus zwiespältiges Verhältnis zur Stadt, sie wirft in wirtschaftlicher Hinsicht zunächst viel zu wenig ab, auf der anderen Seite aber lautet die Maxime des Kaisers: Ausdehnung des Reichs. Und da kommt ihm Innsbruck grad zupass, die Lage der Stadt ist ideal. Das ist auch der Grund, warum er sich hier neben Augsburg am häufigsten aufhält. Für Innsbruck wird das zum Sprungbrett, plötzlich ist man Residenzstadt.
Davon werden auch die Türings profitiert haben.
Der alte Türing und Paul Hofhaimer sind ungefähr zur gleichen Zeit in die Stadt gekommen, in den 80er-Jahren des 15. Jahrhunderts. Da ist noch Sigmund der Münzreiche am Ruder der Macht, er hatte dieses von Friedrich IV . übernommen.
Von dem mit der leeren Tasche?
So können einen Beinamen täuschen. Friedrich mit der leeren Tasche, der für den ersten und vielleicht bedeutendsten Aufschwung der Stadt sorgt, ist eigentlich wohlhabend, hingegen sein Sohn Sigmund der Münzreiche – nun ja, egal. Sigmund ist wie viele seiner Vor- und Nachgänger eine Figur auf dem Schachbrett
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