Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)
dynastischer Interessen, vielleicht versucht er, diesen Zwängen zu entkommen, indem er mit Geld nur so um sich wirft.
Na, so schlimm werden die Zwänge eines Erzherzogs schon nicht gewesen sein!
Um den Einfluss gegen Westen auszuweiten, sollte Sigmund die französische Königstochter Radegunde ehelichen, doch deren früher Tod verhindert den Ehebund. Also wird ihm die Tochter des schottischen Königs, Eleonore, zur Frau gewählt. Das so zustandegekommene Glück währt nur ein paar Jahre, Eleonore von Schottland stirbt bei der Geburt ihres ersten Kindes Wolfgang im Wochenbett. Freilich, das ist kein Alibi für Sigmunds Prunksucht, dieser hat er sich schon zuvor hingegeben. Sein Geltungsdrang wird zugleich zur Basis eines Zuwanderungsstroms, der die Zahl der Bevölkerung rapide emporschnellen lässt. Nichts mehr ist Sigmund gut genug, sogar der alte Regierungssitz des Vaters am Stadtplatz beim heutigen Goldenen Dachl scheint ihm zu kleinräumig und unbequem zu sein, er legt den Grundstein zur Errichtung der Hofburg, erweitert den Hofstaat auf über 500 Personen, das verschlingt Unsummen.
Und führt letztendlich zum Bau meines Hauses.
Das auch, aber Sigmund bietet den Innsbruckern ein Schauspiel, das die Errichtung eines Hauses bei weitem übertrifft und über das sich zweifellos auch Niklas und Margarethe Türing unterhalten haben.
Worüber reden sie denn?
Sigmund der Münzreiche heiratet 1484 ein zweites Mal, und die pompöse Hochzeit mit der 16-jährigen Katharina von Sachsen übertrifft alles bis dahin in Innsbruck Gebotene.
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Diese Hochzeit, sie wird Konz Speiser so wenig interessieren wie das gemeinsame Musizieren der burgundischen mit der kaiserlichen Kapelle. Wir sitzen hier im Getränkelager einer Bar, und du erzählst mir von Fürstenhöfen und Kaisern, von denen die Speisers dieser Welt so weit entfernt sind wie wir vom Leben eines Hollywoodstars.
Was Konz Speisers Interessen angeht, gebe ich dir gern recht, aber: Erstens erzählen uns dieses Gewölbe und alle Häuser dieser Straße von Wirten, Maurern, Metzgern, Gerbern und jeder Menge anderen Handwerkern. Zweitens ist es völlig falsch anzunehmen, dass in einer mittelalterlichen Stadt unüberbrückbare Schranken zwischen den einzelnen Klassen bestehen, schon alleine das Wohnen Haus an Haus fördert den Kontakt unter den verschiedenen Ständen. Drittens, und darauf kommt es eigentlich an, Konz Speiser ist Kind einer Zeit, der du in dieser Stadt auf Schritt und Tritt begegnest, wenn du nur die Augen aufmachst.
Soll das ein Vorwurf sein?
Wenn du es sagst. Vielleicht kann sich Konz Speiser aber für eine andere Leidenschaft des Kaisers erwärmen, von der erzählt dir das Haus nebenan. Schon von Seusenhofer gehört, Conrad Seusenhofer? Hast du nie die Tafel bemerkt, die sich am Haus Innstraße 3 befindet und besagt, dass Seusenhofer dort wohnte? 1504 wird er von Kaiser Maximilian zum Hofplattner ernannt, kurze Zeit später arbeiten unter ihm zahlreiche Gesellen und Lehrbuben in der eigens eingerichteten Hofplattnerei, die sich an der Stelle des heutigen Alten Landhauses befand. Maximilian lässt in zahlreichen Städten des Reichs Werkstätten errichten, im burgundischen Arbois, in Wien, in Nürnberg und Augsburg. In der Innsbrucker Niederlassung aber werden die damals modernsten Härteverfahren für das Harnischblech angewendet, sodass Rüstungen entstehen, die auch gegen Armbrustbolzen schussfest sind. Es herrscht emsiges Treiben im Betrieb Seusenhofers, verursacht durch anhaltende Kampfhandlungen in Italien setzt eine Massenproduktion ein. Dafür sind Matrizen zum Ausstechen der Bleche erforderlich, hernach können mit einer Metallpresse gut dreißig Rücken- und Brustpanzer auf einmal ausgestanzt werden.
Ist ja spannend!
Doch es sind nicht die herkömmlichen Landsknechtpanzer, mit denen Seusenhofer für Furore sorgt, nein, man kann diesen Plattner durchaus als einen Vorläufer der heutigen Mode- und Sportartikelbranche sehen. Seine in Form und Eleganz dem Geschmack jener Zeit entsprechenden Prunk- und Turnierharnische mutieren zum Exportschlager. Darüber hinaus sind der Innovationslust Seusenhofers keine Grenzen gesetzt, was in der Erfindung des Faltenrockharnischs gipfelt.
Was für ein Teufelskerl, auf diese Leistung hat die Welt gewartet! Sag, muss ich mir jetzt Abhandlungen über gepanzerte Faltenröcke – Ich stand auf.
Genau hinhören musst du eben, dann erfährst du durch das Haus nebenan etwas von den modischen Vorstellungen Anfang
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