Im Bann der Leidenschaft
sie in stockendem Französisch, unterbrach sich und holte tief Atem. »Würden Sie mich nach Podolsk mitnehmen?«
Um seinem prüfenden Blick auszuweichen, senkte sie verlegen die Lider. O Gott, warum war sie so tief gesunken? Wie konnte sie sich einem völlig Fremden auf Gnade oder Ungnade ausliefern? Andererseits hatte sie keine Wahl. Die Verzweiflung besiegte alle Skrupel. Wenn er ihren Wunsch erfüllte, würde sie dem verhaßten General entrinnen.
Alexander Nikolaevich betrachtete sie aufmerksam. Höchstens sechzehn, entschied er, eine zierlich gebaute, scheinbar unschuldige Schönheit. Nicht allzu jung für eine Straßendirne … Die meisten dieser Mädchen gingen schon mit zwölf ihrem Gewerbe nach. Wenn sie sechzehn war, mußte sie gewisse Erfahrungen besitzen. In drei Jahren würden ihre Reize verblassen. Die Blumen der Nacht welkten schnell dahin. »Sie wollen also mit mir nach Podolsk fahren? Warum?«
»Das – das kann ich Ihnen nicht erklären«, stammelte Zena und schaute ihn wieder an. Unwillkürlich erschauerte sie, als ein Windstoß eiskalte Schneeflocken auf ihre dünnen Satinschuhe wehte, und wickelte sich fester in ihr Cape.
Für diese lange Winternacht ist sie nur unzulänglich gekleidet, überlegte der Prinz. Und wenn er sie mitnahm (sie war hübsch genug), konnte er sich die Suche nach einer reizvollen Zigeunerin ersparen.
Beklommen wich sie vor seinem kühlen, abschätzenden Blick zurück. Irgendwie erinnerte er sie an ein Raubtier, einen schönen, gefährlichen schwarzen Panther. Über aristokratischen Gesichtsknochen spannte sich glatte, bronzefarbene Haut. Schräg gestellte goldbraune Katzenaugen glänzten unter hochgezogenen dunklen Brauen. Dazu paßten die arrogante Adlernase und die spöttisch gekräuselten sinnlichen Lippen. Aus diesen Zügen sprach kein Mitleid, nur kalte Berechnung, und Zena verspürte plötzlich das Bedürfnis, die Flucht zu ergreifen.
Ein lässiges Achselzucken kündigte seinen Entschluß an. »Warum nicht, ma petite ?« Höflich umfaßte er ihre Hand und half ihr in die Troika.
Erleichtert und angstvoll zugleich, sank Zena in die Polsterung. Der Prinz saß neben ihr in dem kleinen Schlitten. Bald galoppierten die drei Pferde in halsbrecherischem Tempo über die breiten Straßen.
Alex schwieg und konzentrierte sich auf die wenigen Dinge, die er für seine Reise brauchte. Da sein Landsitz in Podolsk stets auf spontane Besuche zur Winterszeit vorbereitet war, mußte nicht allzuviel dorthin transportiert werden. Aber er wollte seine Waffen und die Weinkisten mitnehmen – vielleicht auch den neuen patissier, der so wundervolle croissants backen konnte. Wenn diese croissants auf dem Frühstückstablett lagen, vergaß Alex sofort seine Kopfschmerzen nach durchzechten Nächten. Er liebte Süßigkeiten und ärgerte die anderen Spieler im Yacht Club immer wieder, weil er Bonbons zu seinem Cognac verschlang, während ihnen nach zehnstündigem Alkohol-und Zigarrenkonsum längst übel war. Offensichtlich war dieses Faible ein Resultat seiner Kindheit, in der er maßlos verwöhnt worden war. Aber ein Kuzan pflegte nicht über seine Launen nachzudenken. Er erfüllte sich einfach alle Wünsche.
Als die Troika seinen imposanten rosa Marmorpalast am Newski-Prospekt erreichte, den Katharina die Große vor langer Zeit ihrem Favoriten Platon Kuzan geschenkt hatte, gab der Prinz dem Fahrer einige Anweisungen. Dann half er Zena aus dem Schlitten und führte sie die breite Marmortreppe hinauf. Die kunstvoll verzierte bronzene Doppeltür schwang auf, als hätte ein unsichtbarer Diener die Ankunft seines Herrn erwartet.
Alex teilte einem überaus korrekten englischen Butler mit, er werde sofort nach Podolsk aufbrechen und sei nur in sein Stadtpalais gekommen, um den Abendanzug mit seiner Reisekleidung zu vertauschen. »Rutledge, würden Sie bitte Mademoiselle – eh …« Fragend schaute er Zena an.
»Turku …«, begann sie. Vor lauter Angst, entlarvt zu werden, verbesserte sie sich hastig: »Turkuaminen.«
»Zweifellos möchte sich Mademoiselle Turkuaminen vor der Fahrt ein wenig frisch machen, Rutledge. Führen Sie die Dame ins Lapislazulizimmer und schicken Sie ihr eine Zofe.«
»Sehr wohl, mein Herr.« Kühl und würdevoll musterte der Butler die wenig elegante äußere Erscheinung der jungen Frau und wies ihr innerhalb seiner strengen Rangordnung den Platz zu, der ihr gebührte. Der Kuzan-Haushalt war an den unerwarteten Besuch solcher Mädchen gewöhnt.
Alex wandte sich
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