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Im Bann seiner Küsse

Im Bann seiner Küsse

Titel: Im Bann seiner Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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Der Regen nagelte sie fest.
    Der beißende Geruch von verbranntem Gummi erfüllte die Luft. Sie fror. Das Herz hämmerte in ihrer Brust, als sie sich jäh umdrehte und den Bus direkt auf sich zurasen sah. Der Aufschrei blieb ihr in der Kehle stecken und kam als leises, entsetztes Stöhnen über ihre Lippen.
    Ihr blieb nicht einmal Zeit zu beten.
     
    In glatte, schwarze Samtschichten gehüllt, trieb Tess sacht auf einer warmen Woge dahin. Die Welt um sie herum war beruhigend dunkel. Das Ufer kam immer näher, und sie wusste, dass sie nur die Hand ausstrecken und sich festhalten musste, doch sie war müde. So müde ...
    »Tess, aufwachen, Schätzchen. Ich habe einen vollen Terminkalender.« Eine harte, raue Frauenstimme durchdrang die Schwärze.
    Tess trieb zögernd auf das Bewusstsein zu. Ihre Lider flatterten, als sie vergeblich versuchte, sie zu öffnen.
    »Sie ist wach, glaube ich«, hörte man eine tiefe, angenehme Männerstimme.
    »Ach, wirklich?« Wieder die Frauenstimme. »Tess? Sind Sie wach?«
    Sie konnte hö r en! Tess setzte sich mit einem Ruck auf und sah betroffen um sich.
    Nichts war zu sehen. Nichts und niemand bis auf einen endlos scheinenden Sternenhimmel. Winzige, blendend helle Lichtpunkte funkelten und blinkten wie die Milchstraße.
    Panik erfasste sie so heftig, dass sie ihren Herzschlag schmerzhaft spürte und jeder Atemzug in der Brust brannte.
    Beruhige dich, Tess. Tasse dich.
    Vorsichtig lehnte sie sich zurück und stellte fest, dass sie in einem Designer-Sessel saß. Sie atmete tief und bebend ein und langsam aus und lockerte den krampfhaften Griff, mit dem sie die gepolsterten Armlehnen umklammerte. Ein Lehnstuhl. Was war so unheimlich daran?
    Nichts, beruhigte sie sich. Gar nichts.
    Da bemerkte sie, dass ihre Füße in der Luft baumelten.
    Sie rang nach Atem. Unter ihr gab es keinen Boden, um sie herum keine Wände. Sie saß auf einem schwarzen Sessel mitten im schwarzen Nichts, umgeben von Tausenden funkelnden Sternen. Allein.
    Sie träumte, wurde ihr plötzlich klar. Sie träumte, in einem Sessel mitten im All zu sitzen, träumte, sie könnte hören, träumte ...
    »Tess?«
    Da war sie wieder, die verräucherte Reibeisenstimme, die aus dem Nichts auf Tess eindrang. Ganz gewiss würde eine geträumte Stimme nicht so klingen.
    »J... ja?«, sagte sie mangels einer besseren Idee.
    »Ich bin Carol, Ihre Führerin. Haben Sie Fragen, ehe wir beginnen?«
    Tess wollte sagen >Was beginnen?<, entschied sich dann aber für die näher liegende Frage »Wo bin ich?«.
    Es trat eine lange Pause ein, ehe die Stimme behutsam fragte: »Sie können sich nicht erinnern?«
    »An was erinnern?«
    »An den ... Bus.«
    Tess hielt den Atem an. Die Erinnerung warf sie zurück in die regennasse Straße in Seattle. Sie konnte sich an den beißenden Gestank von versengtem Gummi erinnern, an den entsetzten Ausdruck des Fahrers hinter der schmutzigen Windschutzscheibe. Geräusche, die sie unmöglich gehört haben konnte, prasselten nun mit der Gewalt eines Wirbelsturms auf sie ein: quietschende Bremsen, Gehupe, ihr eigener erstickter Angstschrei.
    Sie war vom Bus überfahren worden. Sie sah sich um. Vielleicht war dies hier doch kein Traum. Vielleicht war es ... die andere Seite. »Bin ich tot?«
    Ein erleichtertes Aufatmen. »Jawohl.«
    Tess schauderte und schlang die Arme um sich. »Ach.«
    »So, das wäre klar, also machen wir weiter«, sagte Carol nüchtern. »Das hier ist der Ort der zweiten Chancen. Ihr Erdenleben ... das erste ... war irgendwie ...« Carols kratzende Stimme verstummte.
    »Schön.«
    »Ja, genau. Aber >schön< ist nicht gut genug. In seiner unendlichen Weisheit sorgt Gott dafür, dass jeder Mensch ein glückliches Leben hat, ehe es weitergeht. Und deshalb, meine Liebe, bekommen Sie noch eine Chance.«
    »Ich verstehe nicht ganz ...«
    »Ganz einfach. Ihr erstes Leben war so lala. Jetzt dürfen Sie sich ein zweites aussuchen. Ich habe mich mit Ihrer Geschichte eingehend beschäftigt und glaube, das Problem zu kennen. Wenn man als Pflegekind aufwächst, hat man mit Sicherheit gewisse Defizite. Sie brauchen jemanden ganz für sich und eine eigene Familie. Ich wählte ein Dutzend in Frage kommender Kandidaten aus. Jeder braucht Sie so sehr wie Sie ihn. Sollte einer Ihre Phantasie beflügeln, drücken Sie den Knopf.«
    Tess lächelte spöttisch. »Eine Art Rendezvous-Spiel für Tote? Was kommt als Nächstes ... etwa >Kegeln um Himmlische Dollars    »He, das ist ja toll! Aber ... pst. Es fängt an.

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