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Im Bann seiner Küsse

Im Bann seiner Küsse

Titel: Im Bann seiner Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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zum Vater zu haben ...
    »Daddy!«
    Durch den Nebel von Selbstverachtung und Angst vernahm Jack die Stimme seiner Tochter. Instinktiv riss er die Waffe von der Schläfe und schleuderte sie von sich, dass sie von der Wand abprallte und über die Werkbank glitt. Sofort fühlte seine Handfläche sich kalt und feucht und leer an.
    Vielleicht nächstes Mal. Doch schon während er die Worte dachte, wusste er, dass es wieder eine Lüge war. Für einen Selbstmord fehlte es ihm an Charakterstärke.
    Wie auch?, dachte er dumpf. Er war schon seit langem ein Feigling.
    Die Scheunentür flog mit einem Knall auf, ein Windstoß fegte herein. »Daddy, bist du da?«
    »Ja, Savannah, ich bin da.« Er drehte sich um und sah seine zwölfjährige Tochter als Silhouette im offenen Eingang stehen, die Hände nervös und verkrampft in ihren langen Röcken versteckt. Sie ging einen Schritt auf ihn zu und hielt inne. Unsicher verzog sie den Mund.
    Seine eigene Tochter fürchtete sich vor ihm. Jack hasste sich dafür so heftig, dass er am liebsten mit der Faust auf etwas eingedroschen hätte. Jahrelange Beherrschung half ihm, völlig reglos zu bleiben. Auch nicht die Andeutung eines Gefühls zeigte sich in seiner Miene oder in seinen zusammengekniffenen Augen. »Was gibt es, Savannah?«
    Sie kaute nervös an der Unterlippe. »Mama will, dass du rasch kommst. Es ist so weit.«
    »Jetzt? Aber sie sollte doch erst ... Mist!« Er drängte sich an Savannah vorbei und lief in die kalte dunkle Nacht. Regen trommelte gegen sein Gesicht und trübte seine Sicht.
    Während er sich eine Waffe an den Kopf gehalten hatte, stand seine Frau im Begriff, seinem Kind das Leben zu schenken. Zum Teufel, was für ein Mensch war er?
    »Gott verzeihe mir«, murmelte er.
    Aber darauf durfte er natürlich nicht hoffen.

Hewlett-Packard
    1.
    Seattle, Washington, 1993
    Tess Gregory durchmaß ihr kleines Büro nervös von einem Ende zum anderen, die kalten, blutleeren Hände zu Fäusten geballt. Die Stille, die sie längst zu akzeptieren gelernt hatte, erschien ihr plötzlich bedrückend, erstickend. Zum fünften Mal in ebenso vielen Minuten warf sie einen Blick auf die Micky-Mouse-Uhr an ihrem Handgelenk.
    Zwölf Uhr. Sie seufzte beklommen. Die Ergebnisse hätten längst zurück sein müssen. Ganz sicher, wenn ihr letztes Experiment von Erfolg gekrönt war ...
    Nein. Sie weigerte sich, auch nur einen Augenblick lang negativ zu denken.
    Sie wusste um den Wert positiven Denkens besser als die meisten anderen. Es war nutzlos, wenn sie nun eine Spur in den praktischen grauen Teppich trat und krank vor Sorge wurde. Das Labor würde ihr Bescheid geben, wenn die Resultate vorlagen, und bis dahin musste sie sich entspannen. Musste glauben.
    Tess schloss ganz fest die Augen. Es war ein Trick aus ihrer Kindheit, um ihre gereizten Nerven zu beruhigen, einer, zu dem sie oft gegriffen hatte, wenn die Ärzte bohrten und in sie drangen und Fragen stellten, die sie nicht mehr hören konnte. Sie blockte die physische Welt ab und konzentrierte sich auf das einzige Geräusch, das sie für immer in ihrem Gedächtnis gespeichert hatte: Lachen. Wie immer war es leicht abrufbar, hob ihre Laune und milderte die nagende Angst, die sie in ihrem Magen spürte.
    Sie öffnete die Fäuste und steckte die Hände in die tiefen Taschen ihres Labormantels. Nach einem tiefen Atemzug, der ihre blank liegenden Nerven beruhigen sollte, gab sie sich einen Ruck und lief aus ihrem von schalldichten, beigefarbenen Wänden umschlossenen kleinen Arbeitsraum.
    In der Kantine war die Mittagspause in vollem Gange. Dutzende weiß bekittelter Mitarbeiter drängten sich um den langen, rechteckigen Tisch mit der gemaserten Furnierplatte, auf der sich Plastikgeschirr häufte. In der Luft hing schwer ein Duftgemisch aus mikrowellenerwärmten Resten, altem Kaffee und medizinischen Desinfektionsmitteln.
    Alle unterhielten sich angeregt, wobei Münder und Hände sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegten. Es war wie in einem alten Charlie-Chaplin-Film: das Einzige, was in der lebhaften Szene fehlte, waren Geräusche.
    Tess ging unruhig an der Reihe von Verkaufsautomaten vorüber zum einzigen Fenster des Raumes. Während sie hinausstarrte, schlang sie gegen die Kälte, die durch das dünne Glas drang, die Arme um sich.
    Es war ein gewöhnlicher Frühlingstag, nass und grau, einer jener Tage, an denen die Bewohner von Seattle sich verstärkt nach Pauschalreisen nach Maui erkundigten. Aschenfarbene, regenschwere Wolken hingen über

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