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Im fünften Himmel

Im fünften Himmel

Titel: Im fünften Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan McCafferty
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Die Kette schwarzer Südseeperlen. SIE WIE VERRÜCKT VERMISSEN. Das ZEICHEN. Er möchte Kontakt herstellen mit dem Geständnis, dass er ihren Namen gehört und auf das Unlogische, das Unmögliche gehofft hat: dass sie es wirklich ist. Und das ausgerechnet heute . Er will sie gerade berühren und die passenden Wünsche aussprechen, als sie einen nervösen Seitenblick auf seine offene Handfläche wirft, den Körperteil, der ihr nahe zu kommen wagt. Er lässt die dreiste Hand sinken und vergräbt sie tief in der Vordertasche seiner Cordhose, denn er merkt, für solche Intimitäten ist keine Zeit.
    Er sagt nichts.
    Â»Wir sollten –«, hebt Jessica an. Inzwischen wiegt sie sich hin und her, ein nervöser, freudloser Tanz. »Du solltest –« Der Wechsel des Pronomens entgeht ihnen beiden nicht. »Mailen. Oder, ich weiß auch nicht. Simsen. Irgendwas …«
    Â»Irgendwas«, sagt er schlicht.
    Marcus bringt den Mut auf, Jessica direkt ins Gesicht zu schauen. Sie frisiert sich immer noch achtlos, hält die Haare mit ein paar schnellen Gummibanddrehungen im Zaum. Würde sie das Haargummi abnehmen und das Haar ausschütteln, könnte er den fruchtigen Duft ihres Shampoos einatmen und sicher sein, dass die kastanienbraunen Strähnen an ihrem Hals noch feucht wären von der Morgendusche. Dieses Wissen tröstet ihn etwas, wie auch die allgemeine Vertrautheit ihrer Erscheinung, die sich seit ihrer letzten Begegnung nicht so sehr verändert hat. Doch er muss sich eingestehen – nur sich selbst, niemals ihr, selbst wenn sie die Zeit oder die Kühnheit hätte, danach zu fragen –, dass ihre lässige Lieblichkeit mehr als nur ein wenig ausgelaugt wirkt. Ihre Augen sind müde, rötlich unterlaufen, umrahmt von geschwollenen lila Augenringen. Ihre Lippen sind trocken und rissig, die Nasenflügel schuppig, vielleicht vom häufigen Reiben mit Papierhandtüchern, Jackenärmeln oder anderem rauen Taschentuchersatz. Er hofft, dass ihre sorgenschwere Erscheinung eine Ausnahme, dass nur ihr Immunsystem am Boden ist, nicht sie selbst. Er wünscht sich, dass sie krank oder müde ist, aber nicht unglücklich oder auch einfach nur traurig.
    Â»Ich würde gern plaudern, wenn …« Ihre Wangen glühen verlegen rot, was ihrer Gesichtsfarbe nur guttut.
    Â»Wenn du Zeit hättest«, beendet Marcus den Satz für sie und versucht aus ihrer Stimme zu lesen, ob sie an einer Erkältung oder Schlimmerem leidet.
    Â»Wenn –«, fängt sie wieder an, kann aber den Satz nicht beenden.
    Sie kann den Blick nicht heben. Wenn sie den Blick hebt, sieht sie ihn. Und wenn sie ihn sieht, ist sie gezwungen, ihm Fragen zu stellen, für die sie keine Zeit hat. Stattdessen konzentriert sie sich auf ihre eigenen vertrauten Chucks, doch nicht mal das bringt Erleichterung. Dass sie beide nach Jahren immer noch die gleichen Lieblingsturnschuhe tragen, ist zwar keine große Offenbarung, doch selbst dieser winzige Blick in sein Leben, das ohne sie weitergegangen ist – und ihrs ohne ihn –, ist für Jessica fast nicht zu ertragen. Was ist sonst noch unverändert? Meditiert er immer noch stundenlang auf dem Boden seines Wandschranks? Mit einem tiefen Atemzug reißt Jessica sich zusammen. Würde er immer noch nach glimmendem Laub riechen, wenn sie sich dicht genug zu ihm beugte? Komponiert er immer noch rätselhaft poetische Lieder auf der akustischen Gitarre?
    Bröckelnde Textzeilen drängen sich in den Vordergrund ihres Bewusstseins, eine leise gesungene Ballade aus der Zeit, als sie noch Teenager waren, die einzige, die Marcus je für sie geschrieben oder gesungen hat:
    Unser Fall, ja, ich gestehe, war allein mein Vergehen
    Wenn du nahe genug kommst, kannst du meine Tränen sehen
    Ihre feuchten Augen kleben am aufgeribbelten Bündchen, das seinen V-Ausschnitt fünf Zentimeter tiefer macht als vom Modedesigner beabsichtigt. Der Pullover sieht teuer aus – zweifädiger Kaschmir, nimmt sie an –, und sie bezweifelt, dass Marcus selbst ihn sich leisten könnte. Sie nimmt an, er war ein Geschenk von einer Person, der sein Gesicht sehr vertraut ist, die genau wusste, welche flüchtigen Nuancen dieser graugrüne Farbton in seinen vielschichtigen braunen Augen wecken würde. Mit Sicherheit ein Geschenk. Er hat nicht mal genug Geld, ihn richtig zu pflegen und reinigen zu

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