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Im fünften Himmel

Im fünften Himmel

Titel: Im fünften Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan McCafferty
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passiert.
    O doch, ist es.
    Unweigerlich kehren ihre Gedanken zu Marcus zurück, zu dem letzten Mal, als sie im selben Raum waren: Er saß gebeugt auf der Bettkante und drehte unablässig und langsam zwei ungeöffnete Notizbücher in den Händen. Vier Kanten. Drehen, drehen, drehen, drehen. Buchseiten, Buchseiten, Buchseiten, Buchrücken. Gerade hatte er gehört, wie Jessica ihm erklärte, dass die beiden schwarz-weiß gesprenkelten Notizbücher alle Gründe enthielten, weshalb sie nicht mehr mit ihm zusammen sein konnte. Seine schwieligen Handballen wischten über Buchseiten, Buchseiten, Buchseiten, Buchrücken – das einzige Geräusch.
    Er hatte sie gelesen und eine Woche später zurückgegeben. »Sie gehören dir«, stand in dem Brief, den er auf die letzten Seiten des zweiten Notizbuchs geschrieben hatte. Marcus hatte gelobt, Jessicas Bitte nachzukommen und sie in Ruhe zu lassen, und hatte sie damit schockiert, dieses Gelübde tatsächlich zu halten. Manche rätseln jahrelang herum, was wohl das letzte Wort gewesen war, das ihr Ex je an sie gerichtet hatte. Jessica musste da nicht lange grübeln, denn Marcus’ letzte Worte standen deutlich mit Tinte geschrieben als Schlusswort unter seiner letzten Mitteilung:
    WAS IMMER
    WHATEVER, so hatte er in dem Brief erläutert, lautete in doppeldeutiger Ironie der Spruch aus schlecht tätowierten chinesischen Schriftzeichen, der sich um seinen Bizeps geschlungen hatte. Marcus hatte eigentlich FOREVER haben wollen, aber das war beim Übersetzen verloren gegangen. Seit der Rückgabe der Tagebücher, seit dem WAS IMMER hatte Jessica kein Wort mehr von ihm gehört.
    Tratsch hat sie allerdings reichlich gehört.
    Er ist in Princetons begehrteste Geheimgesellschaft aufgenommen worden.
    Er hat das Studium geschmissen.
    Er hat ein Rhodes-Stipendium bekommen.
    Er hat den Verstand verloren.
    Die hartnäckigsten Gerüchte wurden von den üblichen Verdächtigen verbreitet: Mitschüler aus Pineville wie Sara D’Abruzzi-Glazer und Scotty Glazer, deren soziales Umfeld sich seit der Geburt des dritten Kindes innerhalb von drei Jahren mehr oder weniger auf ihre Heimatstadt beschränkte. Und Manda Powers, die (so Jessicas letzter Stand) ganz allein von einer Gästecouch zur nächsten um die Welt reiste und unheimlich oft auf andere abenteuerlustige Rucksacknomaden stieß, die behaupteten, jemanden getroffen zu haben, der jemanden getroffen hatte, der jemanden aus ihrer Heimatstadt in New Jersey getroffen hat, der zufällig – wie war das noch? Ach ja!  – Marcus Flutie hieß.
    Er fickt mit einer achtzehnjährigen Erstsemesterin.
    Er fickt mit einer achtundvierzigjährigen Professorin.
    Er fickt mit niemandem.
    Er ist verlobt.
    Er ist schwul.
    Die glaubwürdigeren Updates stammten immer von wohlmeinenden Freunden oder Verwandten im falschen Glauben, dass Jessica wissen wollte, was Marcus Flutie so trieb. Wie Paul Parlipiano, der in einer E-Mail seiner Überraschung Ausdruck verliehen hatte, dass er auf einmal neben Marcus im Lower Ninth Ward von New Orleans von Katrina zerstörte Häuser wiederaufbaute. Oder Cinthia Wallace, die schwor, ihn im Publikum gesehen zu haben, als die Off-Off-Broadway-Musical-Version von Lollipop-Lolitas und Fließband-Fleischklopse Premiere feierte. Oder Jessicas Nichte Marin, die ganz ohne Anlass – oder vielmehr nur, weil sie ein Kind war und immer noch der Gelegenheit nachtrauerte, Blumen zu streuen – gelegentlich fragte: »Glaubst du, das Marcus inzwischen schon einer anderen einen Antrag gemacht hat?« Oder Marins Mutter, Jessicas Schwester Bethany, die als Rechtfertigung für ihre Antwort keine jugendliche Naivität vorschieben konnte: »Das hoffe ich nicht … aber könnte man es ihm verübeln?«
    Er hat wieder angefangen zu trinken.
    Er hat wieder aufgehört zu reden.
    Er hat wieder angefangen, Drogen zu nehmen.
    Er hat wieder einen kalten Entzug gemacht.
    Dann gibt es halb absichtliche Anspielungen wie die von Bridget, die ihr Links zu Found.com schickt und fragt: »Könnte das eine Seite aus Marcus’ Tagebüchern sein, die mit deinem Auto geklaut wurden?« (Worauf Jessica immer mit Nein antwortete.) Oder Percy, der angesichts des Trottels, dessen Heiratsantrag in der Halbzeitpause im Mittelkreis eines NBA-Spiels live im Fernsehen abgelehnt wurde, fragte: »Sag du es mir,

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