Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Koenigreich der Traeume

Titel: Im Koenigreich der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaught
Vom Netzwerk:
die Kinder, um sie davon abzuhalten, durch die Gegend zu streunen und nachts aus ihren Betten zu kriechen oder ungehorsam zu sein.
    Jenny hatte kein Verständnis für diese Hysterie - für sie war der englische Unhold eher ein Mythos als ein wirklicher Mann. Sie erhob die Stimme, um den Radau zu übertönen. »Es ist viel wahrscheinlicher«, rief sie und legte die Arme um die Kinder, die sich erschrocken an sie drückten, »daß er bald zu seinem barbarischen König nach Hause schleicht, damit er sich die Wunden lecken kann, die er in Cornwall davongetragen hat. Und dabei tischt er seinem Herrn bestimmt die größten Lügen über seine Heldentaten und glorreichen Siege auf. Und falls er sich doch nicht zurückzieht, sucht er sich sicher eine schwächere Festung für seinen Angriff aus als Merrick, eine, die er gefahrlos angreifen und ohne Mühe einnehmen kann.«
    Diese Worte und der spöttische, verächtliche Tonfall brachten ihr verwunderte Blicke ein, aber sie täuschte diesen Mut nicht bloß vor- sie war eine Merrick, und ein Familienmitglied der Merricks zeigte niemals Furcht, vor keiner Menschenseele. Hundertmal hatte sie das gehört, wenn ihr Vater die Stiefsöhne auf ihre Pflichten hingewiesen hatte, und diesen Leitspruch zu ihrem eigenen erhoben. Am schlimmsten war, daß die Dorfbewohner mit ihrem Lamentieren und Geschrei die Kinder erschreckten, und das durfte sie auf keinen Fall zulassen.
    Mary zupfte an Jennys Gewand, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen, und fragte mit schrillem Stimmchen: »Hast du denn gar keine Angst vor dem Schwarzen Wolf, Lady Jenny?«
    »Natürlich nicht«, versicherte Jenny mit einem strahlenden Lächeln.
    »Sie sagen«, warf Tom unheilvoll ein, »daß der Wolf so groß wie ein Baum ist.«
    »Ein Baum!« Jenny kicherte in dem Bemühen, sich über den sagenumwobenen Wolf lustig zu machen. »Wenn das stimmt, dann möchte ich zu gern sehen, wie er auf sein Pferd steigt. Mann, dann braucht er mindestens vier starke Knappen, die ihn in den Sattel hieven.«
    Manche Kinder lachten bei der Vorstellung, genau wie Jenny gehofft hatte.
    »Ich hab’ gehört«, berichtete Will mit unübersehbarem Schaudern, »daß er die Mauern mit bloßen Händen einreißt und Blut trinkt.«
    »Igitt!« rief Jenny, und ihre Augen funkelten amüsiert. »Dann hat er Verdauungsstörungen und ist nur deshalb so gemein. Wenn er nach Belkirk kommt, dann geben wir ihm lieber ein gutes schottisches Ale.«
    »Mein Pa sagt«, meldete sich ein anderes Kind zu Wort, »ein Riese würde neben ihm reiten - ein Goliath, den alle Arik nennen und der eine ungeheure Streitaxt bei sich hat, mit der er Kinder zerhackt.«
    »Ich habe gehört ...« rief ein anderer Junge.
    Aber Jenny unterbrach ihn kurzerhand. »Ich will euch mal erzählen, was ich gehört habe.« Behutsam führte sie die kleine Schar in Richtung Kloster, das erst wieder nach der Straßenbiegung in Sicht kam. »Ich habe gehört«, improvisierte sie fröhlich, »er sei steinalt und könne nicht mehr richtig sehen. Er muß immer blinzeln - so ...« Sie legte ihren Kopf in den Nacken und ahmte übertrieben eine halbblinde Person nach, die mit leerem Blick in die Runde starrte. Die Kinder lachten.
    Auf dem Weg erfand Jenny weitere lustige Geschichten, und die Kleinen spielten mit und ließen sich auch Dinge einfallen, die den großen Schwarzen Wolf zu einer Witzfigur machten.
    Doch trotz des Gelächters und des augenblicklichen Frohsinns, hatte sich der Himmel mit einemmal verdunkelt. Drohende Wolkenbänke rollten über die Hügel, die Luft wurde schneidend kalt, und der Wind zerrte an Jennys Umhang, als würde sich die Natur gegen die Erwähnung des Bösen auflehnen.
    Jenny wollte gerade noch einen Scherz auf Kosten des Wolfs machen, aber sie brach mitten im Satz ab, als eine Gruppe berittener Clansmänner um die Kurve bog und auf sie zukam. Ein wunderschönes Mädchen, das wie Jenny das dunkle Gewand einer Novizin und die weiße Haube mit dem grauen Schleier trug, saß vor dem Anführer im Damensitz auf dem Pferd. Das zaghafte Lächeln des Mädchens verriet Jenny, was sie längst wußte.
    Mit einem leisen Freudenschrei stürmte sie vorwärts, merkte jedoch gerade noch rechtzeitig, wie unschicklich sie sich gab, und blieb nach ein paar Schritten wie angewurzelt stehen. Ihr liebevoller Blick hing an ihrem Vater, schweifte dann flüchtig über die Clansmänner, die mit derselben grimmigen Mißachtung an ihr vorbeistarrten, die sie ihr schon seit Jahren entgegenbrachten -

Weitere Kostenlose Bücher