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Im Koenigreich der Traeume

Titel: Im Koenigreich der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaught
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Schafhirte seine Herde, während Jennifer auf einer Lichtung in der Nähe des Brunnens mit den Waisenkindern, die die Äbtissin ihrer Obhut anvertraut hatte, Blindekuh spielte.
    Und in dieser fröhlichen, friedlichen Szenerie nahm das Unheil seinen Anfang. Als könnte sie den Lauf der Ereignisse verändern, wenn sie sie in ihrer Erinnerung erneut zum Leben erweckte, schloß Jennifer erneut die Augen, und stand plötzlich wieder mit den Kindern auf der Lichtung. Sie hatte die schwarze Binde vor den Augen ...
    »Wo bist du, Tom MacGivern?« rief sie, tastete sich mit ausgestreckten Armen vorwärts und tat so, als könnte sie den kichernden neunjährigen Jungen nicht ausmachen, der ganz nah zu ihrer Rechten stand. Sie lächelte hinter der großen Binde und nahm die Pose eines klassischen Ungeheuers ein - hob die Arme hoch, spreizte die Finger zu gefährlichen Klauen und stampfte mit den Füßen den Boden. Dann rief sie mit tiefer, gruseliger Stimme: »Du kannst mir nicht entkommen, Tom MacGivern.«
    »Ha!« schrie er von rechts. »Du findest mich nie, blinde Kuh!«
    »O doch«, drohte Jenny und drehte sich absichtlich nach links, was schallende Lachsalven bei den Kindern hervorrief, die sich hinter Bäumen versteckten und neben Büschen kauerten.
    »Hab’ ich dich erwischt!« rief Jenny ein paar Minuten später triumphierend, als sie sich auf ein fliehendes, kicherndes Kind stürzte und das dünne Handgelenk zu fassen bekam. Atemlos und lachend riß sich Jenny die Binde von den Augen, um nachzusehen, wen sie gefangen hatte. Dabei dachte sie gar nicht an die rotgoldene Mähne, die über ihre Schultern und Arme floß.
    »Du hast Mary erwischt!« kreischten die Kinder aufgekratzt. »Jetzt ist Mary die blinde Kuh!«
    Das kleine fünfjährige Mädchen sah mit großen haselnußbraunen Augen und ängstlichem Blick zu Jenny auf, ihr dünner Körper bebte furchtsam. »Bitte«, flüsterte Mary und klammerte sich an Jennys Bein, »ich ... ich will die Binde nicht vor den Augen haben. Da ist es doch so dunkel. Muß ich sie umbinden?«
    Lächelnd strich Jenny dem Kind das weiche Haar aus dem mageren Gesichtchen. »Nicht, wenn du es nicht möchtest.«
    »Ich hab’ Angst im Dunkeln«, gestand Mary und ließ die schmalen Schultern vor Scham sinken.
    Jenny hob sie in die Arme und drückte sie fest an sich. »Jeder Mensch hat vor irgend etwas Angst«, sagte sie und fügte verschwörerisch hinzu: »Wirklich, ich zum Beispiel habe Angst vor ... vor Fröschen.«
    Dieses geflunkerte Eingeständnis brachte die kleine Mary zum Lachen. »Frösche«, wiederholte sie. »Ich mag Frösche -die erschrecken mich kein bißchen.«
    »Na, siehst du ...« erwiderte Jenny, als sie das Kind wieder auf den Boden stellte. »Du bist sehr mutig. Viel mutiger als ich.«
    »Lady Jenny hat Angst vor blöden alten Fröschen«, berichtete Mary ein paar Kindern, als sie davonstürmte.
    »Stimmt ja gar nicht...« protestierte Tom, der sofort in die Bresche springen und die Ehre der wunderschönen Lady Jenny retten wollte, die trotz ihrer würdigen Stellung stets zu allen Schandtaten bereit war. Unter anderem hatte sie nicht gezögert, ihre Röcke zu raffen, um in den Teich zu waten und ihm zu helfen, einen fetten Ochsenfrosch zu fangen. Sie war auch schon behende wie eine Katze auf einen Baum geklettert, weil sie den kleinen Will herunterholen wollte, der sich allein nicht getraut hatte.
    Jennys beschwörender Blick brachte Tom zum Schweigen. »Ich verbinde mir die Augen«, bot er an und betrachtete bewundernd das siebzehnjährige Mädchen in dem dunklen Gewand einer Novizin, die in Wirklichkeit aber gar keine war und sich ganz sicher auch nicht wie eine benahm. Mann, letzten Sonntag war sogar ihr Kopf während der langen Predigt des Priesters nach vom gesunken, und nur Toms vorgetäuschtes lautes Husten von der Bank hinter ihr hatte sie gerade noch rechtzeitig geweckt, sonst hätte die gestrenge Äbtissin dieses Vergehen entdeckt.
    »Tom ist dran - er ist die blinde Kuh«, stimmte Jenny sofort zu und reichte ihm die Augenbinde. Lächelnd beobachtete sie, wie die anderen Kinder in ihre bevorzugten Verstecke huschten, dann hob sie ihre Nonnenhaube und den kurzen Schleier auf, den sie abgenommen hatte, bevor sie sich die Augen verbinden mußte. Sie wollte sich zu den anderen Dorfbewohnern am Brunnen gesellen, denn die Leute fragten neugierig ein paar Clansmänner aus, die sich auf dem Nachhauseweg aus dem Krieg gegen die Engländer in Cornwall befanden und in Belkirk

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