Im Kreis der Sünder - Kriminalroman aus dem Ruhrgebiet
Wahrscheinlichkeit nach um Cornelius Hamacher, den Besitzer dieser Villa.«
»Schon gehört«, brummte Pielkötter.
»Zweiundfünfzig und erstaunlich fit für sein Alter«, erklärte Tiefenbach.
Barnowski musterte seinen Chef von oben bis unten, als gelte es, Pielkötter mit dem Toten zu vergleichen. Dafür traf Barnowski ein missbilligender Blick.
»Cornelius Hamacher wurde erstochen, aber das haben Sie sicher auch schon gehört«, erklärte der Rechtsmediziner.
»Tatwaffe?« Erwartungsvoll blickte Pielkötter zu Tiefenbach.
»Kann ich noch gar nicht so genau sagen, jedenfalls nichts Gewöhnliches«, erwiderte dieser. »Sicher kein Messer. Es sei denn, eins in Überlänge und der Mörder hätte noch in der Wunde herumgebohrt. Vielleicht ein Schwert? Genaueres lässt sich erst nach gründlicher Untersuchung sagen.«
»Ein Schwert, wie einfallslos«, schaltete sich Barnowski ein. »Wann benutzt endlich mal ein Mörder ’ne Bohrmaschine.«
»In Gegenwart eines Toten sind Ihre Witze wirklich unangebracht«, tadelte Pielkötter seinen Untergebenen.
»Schwert oder nicht, die Todesart spricht jedenfalls nicht gerade für einen Raubmord«, erklärte Tiefenbach unberührt von dieser Meinungsverschiedenheit.
»Genau«, stimmte Barnowski zu. »Der Mord sieht mir eher nach einem Racheakt aus.«
»Keine voreiligen Schlussfolgerungen«, kritisierte Pielkötter erneut seinen Mitarbeiter. »Womöglich will der Täter uns genau das glauben lassen.«
Unwillkürlich verdrehte Barnowski die Augen. »Jedenfalls deutet hier nichts auf einen Einbruch hin«, verteidigte er sich. »Fragen Sie doch die Spurensicherung. Die können das bestätigen.«
»Später. Zuerst sehe ich mir den Toten einmal näher an.«
Während des Gesprächs hatte Pielkötter schon das ein oder andere Mal zu dem Ermordeten hingeschielt, der etwa drei Meter von ihm entfernt auf dem Boden lag. Unmittelbar neben der rechten Hand des Opfers lag ein Kerzenständer. Ein ganz ähnlicher befand sich auf einer kleinen Anrichte unter einem großen Spiegel mit Silberrahmen. Wahrscheinlich hatte Hamacher versucht, sich mit dem Leuchter zu verteidigen, folgerte Pielkötter, aber der Angreifer war offensichtlich schneller gewesen. Mit wenigen Schritten stand er vor dem Toten. Der sah ihn aus starren Augen an. Ewas Ungläubiges lag in seinem Blick. Hatte er den Täter etwa gekannt? Konnte er nicht begreifen, was ihm geschah und warum? Oder war er ganz sicher gewesen, niemals für seine Schuld bestraft zu werden? Schluss jetzt, dachte Pielkötter. Das ging eindeutig zu weit, am Ende zog er noch ebenso voreilige Schlussfolgerungen wie Barnowski. Das hätte ihm gerade noch gefehlt.
»Die Zeugin, die Herrn Hamacher gefunden hat, wartet im Wohnzimmer«, riss ihn der junge uniformierte Polizist aus dieser unangenehmen Überlegung.
Eilig wandte sich Pielkötter von dem Toten ab und folgte dem Polizisten. Als er den Wohnraum betrat, hätte er unter anderen Umständen wahrscheinlich ein »Nicht schlecht!« als Lob von sich gegeben. Weniger wegen der trendigen Einrichtung aus edlen Hölzern, die von erlesenem Geschmack und gut gefülltem Bankkonto zeugten, sondern mehr wegen der fantastischen Aussicht auf den Wambachsee.
Verloren auf einer viersitzigen Ledercouch in dezentem Grünton saß eine Frau von knapp sechzig mit ergrautem Haar und unvorteilhafter Hornbrille.
»Frau Koschinski«, erklärte der Polizist.
»Sie also haben Herrn Hamacher tot aufgefunden«, bemerkte Pielkötter, ohne sich vorzustellen. Den Blick unverwandt auf Frau Koschinski gerichtet, nahm er ihr gegenüber in einem breiten Ledersessel Platz. »Hauptkommissar Pielkötter«, holte er schnell das Versäumte nach. Doch Frau Koschinski hörte es wohl nicht, sie hatte zu weinen begonnen.
Der junge Polizist zuckte mit den Schultern und verließ eilig den Raum.
»Tut mir leid, dass Sie eine so schreckliche Erfahrung machen mussten«, fuhr Pielkötter fort. »Aber es ist auch für Sie äußerst wichtig, dass wir so schnell wie möglich den Mörder fassen. Deshalb wäre es sehr hilfreich, wenn ich Ihnen gleich ein paar Fragen stellen dürfte.«
Frau Koschinski nickte. Mit einem tiefen Seufzer zog sie ein Taschentuch aus ihrer Hosentasche und schnäuzte sich.
»Fragen Sie nur, es geht schon wieder.«
»Sagen Sie mir einfach, was Sie heute erlebt haben«, erwiderte Pielkötter väterlich.
Sie holte weit aus. »Ich putze schon seit ewiger Zeit für Herrn Hamacher, fünfzehn, sechzehn Jahre bestimmt. Er war
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