Im Kreis des Wolfs
sagte, dass es ihm gutgehe, aber sie werde jetzt lieber auflegen, da es langsam Zeit für den Brei sei und sie noch allerhand zu tun habe.
Gerade als sie auflegte, begannen die Hunde zu bellen.
Normalerweise hätte sie nicht weiter darüber nachgedacht. Die Hunde machten ständig Radau, weil sie eine Ratte oder sonst etwas jagten, doch diesmal klangen sie irgendwie eigenartig, so dass Kathy unwillkürlich aus dem Fenster schaute.
Maddie, die alte Colliehündin, hatte den Schwanz eingezogen, schlich an der Scheune entlang und schaute knurrend über die Schulter zurück. Prince, der gelbe Labrador, den Kathy von ihrem Vater geschenkt bekommen hatte, als sie hierhergezogen waren, lief mit gesträubten Nackenhaaren hin und her. Abwechselnd richtete er die Ohren auf und ließ sie wieder hängen, als wäre er sich unsicher. Sein Bellen wurde von seltsamen, leisen Jammerlauten unterbrochen. Den Blick hielt er auf die Wiese gerichtet, auf etwas hinter dem Haus.
Kathy runzelte die Stirn. Sie sah lieber nach, was die Tiere so aufregte. Das Fett in der Pfanne, in der sie den Mais dünsten wollte, begann zu zischen. Sie ging zum Herd und stellte die Flamme kleiner. Doch als sie die Fliegengittertür öffnete und aus der Küche in den Hof trat, war keine Spur mehr vom Collie zu sehen. Prince hingegen schien über ihren Anblick erleichtert zu sein.
»Hey, was ist denn los, Prince?«
Der Hund lief auf sie zu, schien dann aber seine Meinung zu ändern. Vielleicht gab ihm ihre Anwesenheit jene kleine Extraportion Mut, die ihm bislang gefehlt hatte, denn plötzlich stürmte er mit lautem Bellen um das Haus herum, so dass der Staub hinter ihm aufwirbelte.
Und erst jetzt fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Das Baby. Irgendwas war auf der Veranda und holte sich das Baby. Sie begann zu laufen. Bestimmt war es ein Bär. Oder ein Berglöwe. Mein Gott, wie dumm von ihr, nicht vorher daran gedacht zu haben.
Als sie um die Hausecke bog, sah Kathy unmittelbar vor der Veranda etwas, das sie zuerst für einen großen, schwarzen Hund hielt, einen Schäferhund vielleicht. Er drehte sich um und stellte sich dem Angriff des Labradors.
»Verschwinde von hier! Weg da!«
Das Tier sah sie an, und sie fühlte den Blick dieser funkelnden gelben Augen auf sich ruhen und wusste im selben Moment, dass dies kein Hund war.
Prince kam schlitternd vor dem Wolf zu stehen und duckte sich, die Vorderpfoten gespreizt, so dass sich sein Brustkorb nur wenige Zentimeter über dem Boden befand. Er fletschte die Zähne, knurrte und bellte, tapfer und doch zugleich so furchtsam, dass es aussah, als wolle er sich jeden Augenblick auf den Rücken werfen und ergeben. Obwohl der Wolf reglos dastand, schien er sich gleichzeitig größer zu machen, bis er über dem Hund aufragte. Sein Schweif stand buschig und steil in die Höhe. Langsam zog er die Lefzen zurück, knurrte und zeigte seine langen, weißen Fangzähne.
Und dann packten seine Kiefer mit einem einzigen Satz den Labrador bei der Kehle, rissen ihn hoch und schleuderten ihn durch die Luft, als sei er leicht wie ein Kaninchen. Der Hund jaulte auf, und Kathy stellte sich plötzlich voller Angst vor, dass der Wolf ihr Baby bereits ebenso zugerichtet hatte. Sie stieß einen Schrei aus und sprang zur Veranda hinauf.
Der Kinderwagen stand am anderen Ende, und er schien hundert Meilen weit entfernt, als sie darauf zu rannte.
O Gott, bitte, lass es nicht tot sein. Bitte, lass es nicht tot sein.
Sie konnte nicht sagen, ob sich das Tier am Kinderwagen zu schaffen gemacht hatte, doch trotz des alles übertönenden Hundegeheuls wusste sie, dass ihr Baby still darin lag. Sie schluchzte bei dem Gedanken an das, was sie im Wagen finden mochte.
Sie wagte kaum hineinzusehen. Doch sie zwang sich dazu, und als sie sah, wie ihr Kind sie anblickte, wie sich sein Gesicht zu einem zahnlosen Grinsen verzog, traten ihr Tränen in die Augen. Sie griff nach dem Baby und riss es soheftig aus dem Wagen, dass es zu weinen begann. Als sie es fest an sich drückte, schrie es noch lauter. Dann drehte sie sich um, den Rücken an die Wand gepresst, und blickte über die Veranda.
Der Wolf stand mit gesenktem Kopf über dem Labrador. Kathy sah auf den ersten Blick, dass der Hund tot war. Seine Hinterläufe zuckten noch einmal, ganz so wie im Traum, wenn er vor dem Kaminfeuer schlief, doch die Kehle war aufgerissen, und der Bauch klaffte wie bei einem ausgenommenen Fisch weit auseinander. Das bleiche Gras unter dem Kadaver färbte sich
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