Im Kreis des Wolfs
vorzunehmen.
Der letzte Anruf war der charmanten und reizvollen Sally Peters vorbehalten, der frisch geschiedenen Marketingdirektorin einer ortsansässigen Tierfutterfirma. Dan hatte ganze zwei Monate gebraucht, bis er den Mut aufbrachte, sie um ein Rendezvous zu bitten, und ihrer Reaktion nach zu schließen, als er das geplante Abendessen absagte, würde er das nächste Mal noch länger brauchen.
Die Fahrt von Helena nach Hope dauerte etwa eine Stunde. Als er von der Interstate abbog und in Richtung Berge fuhr, die sich dunkel vor dem blassroten Himmel abzeichneten, fragte sich Dan, warum alle, deren Arbeit sich um Wölfe drehte, irgendwann darunter zu leiden hatten.
Im Lauf der Jahre hatte er viele Biologen kennengelernt, deren Spezialgebiet andere Tiere, etwa Zwergspitzmäuse oder Pinguine, waren, und obwohl sich unter seinen Kollegen auch ein oder zwei Spinner befanden, schienen sie im Allgemeinen doch recht gut in der Lage zu sein, sich wie der Rest der Menschheit durchs Leben zu schlagen. Wolfspezialisten hingegen waren eine wandelnde Katastrophe. Ob Scheidung, Nervenzusammenbruch oder Selbstmord – in jeder Kategorie waren sie Spitzenreiter. Und gemessen daran brauchte sich Dan nicht zu schämen. Seine Ehe hatte fast sechzehn Jahre gehalten. Wahrscheinlich war das eine Art Rekord. Und auch wenn Mary, seine Exfrau, kein Wort mehr mit ihm reden wollte, so fand Ginny, ihre Tochter – die zwar erst vierzehn war, aber wie zwanzig aussah –, ihren Dad doch ganz okay. Nein, sie bewunderte ihn, und diese Bewunderung war durchaus gegenseitig. Doch was hatte er mit einundvierzig, von Ginny einmal abgesehen, nach all den Jahren, die er dem Wohlergehen der Wölfe geopfert hatte, schon vorzuweisen?
Um seine eigene Frage nicht beantworten zu müssen, beugte er sich vor und stellte das Radio an. Nach einigem Suchen fand er schließlich einen Sender, der keine Werbung oder Countrymusik (die er selbst nach drei Jahren Montana immer noch nicht ausstehen konnte) brachte, sondern Lokalnachrichten. Und die letzte Meldung trug nicht gerade dazu bei, seine Laune zu bessern.
Es war die Rede vom »Angriff« eines Wolfs auf eine Ranch in der Nähe von Hope sowie davon, dass der Enkel von Buck Calder, eine der angesehensten Persönlichkeiten dieser Gegend, dem sicheren Tod nur entgangen war, weil der Haushund, ein Labrador, sein Leben für ihn eingesetzt hatte.
Dan stöhnte auf. Die Medien wussten schon Bescheid, das hatte ihm gerade noch gefehlt. Doch es kam noch schlimmer. Sie sendeten bereits ein Telefoninterview mit Calder persönlich. Dan hatte von ihm gehört, ihn selbst aber nie kennengelernt. Calder besaß die tiefe, vertrauenerweckende Stimme eines Politikers. Er redete wie ein Wolf im Schafspelz.
»Die Bundesregierung lässt unten in Yellowstone diese Wölfe frei, und die treiben sich jetzt überall herum und bedrohen junge Mütter und ihre Babys. Aber erlaubt man uns etwa, sie, unser Vieh und unseren Besitz zu schützen? Nein, Sir, das erlaubt man uns nicht. Und warum nicht? Weil uns die Bundesregierung weismachen will, dass diese Tiere noch immer zu der bedrohten Art gehören. Ich sage Ihnen, das ist ebenso dumm wie ungerecht.«
Damit waren die Nachrichten beendet, und Dan schaltete das Radio aus.
Der Typ lag gar nicht so falsch. Bis vor kurzem hatte es in dieser Gegend nur die paar Wölfe gegeben, die über die Kontinentalsperre von Kanada heruntergekommen waren. Doch dann hatte die Bundesregierung nach jahrelangenhitzigen Debatten zwischen Umweltschützern und Ranchern beschlossen, die Wiederansiedlung von Wölfen zu genehmigen. Sechsundsechzig wilde kanadische Wölfe waren daraufhin unter großem Kostenaufwand eingefangen, in den Yellowstone Park sowie nach Idaho gebracht und freigelassen worden.
Als Reaktion auf die Wut der Farmer, die in diesen sogenannten »Versuchsgebieten« wohnten, wurde ihnen erlaubt, jeden Wolf abzuschießen, der tatsächlich ihr Vieh anfiel. Doch die freigelassenen Wölfe hatten sich rasch vermehrt, und da sie nicht sonderlich gut im Kartenlesen waren (oder vielleicht gerade deshalb), hatten sie sich dort ausgebreitet, wo der Abschuss eines Wolfs hunderttausend Dollar Strafe und sogar Gefängnis einbringen konnte.
Hope gehörte zu diesen Gebieten und war außerdem Kernland der Wolfshasser. Wenn sich dort heute tatsächlich ein Wolf hatte blicken lassen, dann war der reif für die Klapsmühle.
Vor zehn Jahren hatte Fish & Wildlife überall im Staat öffentliche Veranstaltungen
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