Im Land der glühenden Sonne: Die Australien-Saga (German Edition)
aufgehört. »Das sollten wir nicht tun«, hatte er abgewehrt.
»Aber wir küssen uns doch nur«, hatte sie geantwortet.
Er hatte seine Arme fallen lassen. »Für Jungen ist es schwer … na ja, wieder aufzuhören. Du verstehst schon …« Aber sie verstand gar nichts. Stattdessen war sie verletzt, weil sie glaubte, es habe ihm nicht gefallen, sie zu küssen. Dann, ganz plötzlich, hatte er ein neues Arbeitsangebot bekommen und war abgereist, ohne sich zu verabschieden. Da sie auf dem Land aufgewachsen war, kannte sie sich mit dem biologischen Vorgang der Fortpflanzung aus, aber eigene Erfahrungen hatte sie nicht vorzuweisen. In ihrem Kurs bei den St.-Johns-Sanitätern hatte man ihnen vage Vorstellungen über Verhütungsmethoden vermittelt, und auch die Mutter hatte ihr einige einfache Fragen beantwortet. Die anderen Mädchen flüsterten kichernd über die Hochzeitsnacht, und erzählten sich mit Schaudern, dass es schlimmer sei, als ein Baby zu bekommen. Trotzdem hoffte Abby, dass es, wenn es einmal so weit war, so selbstverständlich passieren würde, wie sie es Kevin beschrieben hatte, und dass es so wäre, wie ihre Mutter versprochen hatte – ein einmaliges und wunderschönes Erlebnis.
Als Abby ihrer Mutter zwei Tage später dabei half, einen Riesenstoß Wäsche aufzuhängen, tauchte Shannon bei ihnen auf und fragte, ob sie nicht Lust habe, am nächsten Vormittag mit ihr auszureiten.
»Mein Pferd ist so lebhaft, dass meine Eltern mir nicht erlauben wollen, allein auszureiten. Können Sie nicht mitkommen? Sie könnten unser Arbeitspferd Jolly nehmen, er ist schon lange nicht mehr bewegt worden.«
Abby zögerte – der Vorschlag schien ihr eher ein Befehl zu sein als eine Bitte. Aber Gwen meinte sofort: »Geh ruhig, Schatz. Das wäre doch eine nette Abwechslung für dich. Ich komme hier schon allein zurecht.« Sie klemmte den Wäschepfahl unter die herabhängende Leine, und Abby half ihr, ihn aufzurichten und die schweren Laken, Handtücher, Hemden und Hosen hochzuziehen.
»Eigentlich müsste ich mich ja nach einer Arbeit umsehen, aber ich komme gern mit, Shannon.«
»Gut. Dann kommen Sie doch nach dem Frühstück zur Scheune hoch. Wahrscheinlich werden Sie ziemliche Mühe haben, Jolly einzufangen.«
Aber als Abby bei der Scheune der Pembertons ankam, wartete Jolly bereits fix und fertig gesattelt neben einem dunkelbraunen Vollblüter und einem rassigen schwarzen Araber.
»Shannon?«, rief Abby.
»Bin schon da, Abby.« Shannon trat aus der Scheune, dicht gefolgt von Barney. »Wir haben Gesellschaft bekommen. Vor zwei Tagen hatte Barney keine Zeit, jetzt kann er plötzlich doch«, erklärte sie mit kokettem Blick in seine Richtung.
»Das ist ja schön«, sagte Abby und kam sich plötzlich reichlich überflüssig vor. Sie betrachtete Shannon in ihren schicken beigen Reithosen, dem karierten Hemd und den eleganten Stiefeln und fühlte sich unwohl in ihren ausgewaschenen Hosen, dem Baumwollpulli und den alten Gummistiefeln. Aber Barneys nettes Lächeln, das zu sagen schien: »Ich freue mich, dass Sie hier sind«, munterte sie wieder auf.
Sie schwangen sich auf die Pferde, die lebhaft die Köpfe schüttelten und es kaum erwarten konnten, in die frische Morgenluft zu kommen. Shannon ritt voran. Als sie die Koppel verließen und den Feldweg entlangtrabten, der auf den von struppigen Büschen bedeckten Hügelkamm führte, ritt Shannon ununterbrochen schwatzend neben Barney her. Abby, die das Schlusslicht bildete, wurde allmählich lockerer und begann den Ausritt zu genießen. Es war lange her, seit sie das letzte Mal zum puren Vergnügen ausgeritten war. Normalerweise stieg sie nur zum Arbeiten auf ein Pferd, und obwohl ihr auch das Spaß machte, war ein solcher Ausritt doch ein ganz besonderes Vergnügen.
Die drei waren etwa vierzig Minuten unterwegs und hielten dann auf dem Gipfel eines kleinen Hügels an. Sie machten es sich bequem, ruhten sich aus und bewunderten den Ausblick.
»Was ist los mit Ihnen, Abby? Sie waren so still«, fragte Barney und zwinkerte ihr hinter Shannons Rücken schnell zu.
»Ich habe einfach den Ritt genossen. Schön ist es hier oben.«
»Kommt schon, lasst uns wieder losreiten«, schlug Shannon unvermittelt vor. »Was haltet ihr davon, wenn wir auf dem Rückweg den Steilhang nehmen? Im Vergleich zu dem Weg, den wir gekommen sind, wäre das eine nette Herausforderung.«
»Du kannst es wohl kaum erwarten, dein Pferd mal richtig auszuprobieren, was?«, sagte Barney.
»Na
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