Im Leben gibt es keine Proben (German Edition)
strahlen für mich besonders hell. In Michael Hanekes Das weiße Band war ich die Nachbarin, die eine Leiche zu waschen hat. Die lebensnahe, dunkle Thematik des Films faszinierte mich, ließ mich schaudern. Ich war neugierig darauf, Haneke bei der Arbeit zu erleben. Ein sehr strenger, sehr bestimmter, sehr ernster Mann mit einem garstigen österreichischen Humor, präzise bis in die kleinste Einstellung. Obwohl ich im Film nur kurz zu sehen bin, stellte er an meine Figur so hohe Anforderungen wie an die Hauptdarsteller. Seine Anweisungen bei den Proben kamen als sanfte Forderungen: »Ein wenig mehr ..., weicher, bitte, nicht so streng ... Schauen Sie sehr lange auf den Partner ... So ist es gut, ja, danke, das ist gut.« Und später, als die Szene im Kasten war: »Das war eine wichtige kleine Szene. Sicher zu klein für Sie, aber sehr gut – Sie verstehen mich?«
Ich verstand, denn solche Worte geben einem das Gefühl, wertvoll zu sein, und das spornt an.
Und dann die Begegnung mit Regisseur Stephen Daldry und Kate Winslet in Der Vorleser . Der Duft von Hollywood in Berlin, und ich durfte daran schnuppern. Das Casting in englischer Sprache, ein Jauchzer, als ich besetzt war, Herzrasen beim Dreh, Staunen über das ganze Drumherum: Ich betrat den Drehort mit einem Bodyguard, der mich zu einer Kontaktperson eskortierte, die wiederum brachte mich zum Costumer, dem Kostümmann, wieder ein anderer junger Mann, ein sogenannter Setrunner, geleitete mich zur Garderobiere, die mich anzog. Der Nächste ging mit mir zur Maske in ein Wohnmobil, wieder ein anderer zum Warten in ein anderes Mobil, von wo mich erneut ein Bodyguard zum Dreh brachte. Dort saß eine junge Frau, die in Figur und Farben Kate Winslet entsprach, sie war das Licht- und Spieldouble. Mit ihr probierte ich die Szene, bis alles geklärt war, dann erschien Miss Winslet.
Einen solchen Aufwand, eine solche Sorgfalt und Fürsorge am Drehort kannte ich nicht.
Am Set sprach man – bei internationalen Produktionen selbstverständlich – Englisch, und ich fuhr meine Antennen zu hundert Prozent auf Sendung. Am Wallstreet Institut hatte ich mein Englisch aufpoliert.
Später synchronisierte ich meine eigenen englischen Sätze ins Deutsche.
Ich spielte im Vorleser eine Gefängnisbibliothekarin, und als ich mit Kate Winslets Double probierte, schaute ich die kleine Gefängnisbibliothek durch, die für diesen Take aufgebaut war. Im Film verlangt Kate nach der Dame mit dem Hündchen , aber bei der Probe spielte das keine Rolle, ich sollte irgendein Buch nehmen. Ich griff nach dem Untergang der Titanic und musste in mich reinkichern . In dem Moment kam Kate, ich breitete meine Arme aus, wie sie es in dem Film vor Leonardo DiCaprio an der Reling getan hatte, und sie bekam einen herrlichen Lachanfall. Das Eis war gebrochen, wir plauderten kurz miteinander, und später ließ sie uns beide zusammen fotografieren, obwohl das Fotografieren unerwünscht war. An diesem Tag bekam ich eine Ahnung von Hollywoods Filmfabrik.
Kleinste Rollen sind also nur kurz, nicht klein. Sie sind das Salz in der Suppe der Hauptdarsteller.
Eine Hauptrolle spielte ich in dem Film Kindheit. Viele unbekannte Kolleginnen und Kollegen spielten mit. »Das ist doch der Film mit den sehr guten Gesichtsfünfen«, hieß es. Ich weiß nicht, wer den Begriff erfunden hat, und eigentlich ist das ungerecht, denn fünf ist fünf, auch wenn sie gut sind.
Meine Chancen sind Milieustudien oder historische Filmstoffe – Wege übers Land , Kleiner Mann, was nun?, Johannes Kepler , Der Laden . Dabei gelten andere Kriterien, Gott sei Dank. Denn manchmal bin ich doch erschüttert, wer was spielt und wie wenig gut ...
Man nannte mich die Ost-Masina, bescheinigte mir Verschmitztheit, fand mein Spiel hinreißend komisch und herzzerreißend traurig, clownesk und spitzbübisch, überzeugend und kraftvoll, ein Energiebündel mit beeindruckender Stimme – solche Kritikermeinungen wiegen geschmäcklerische Ablehnungen allemal auf.
Ich habe viel darüber nachgedacht, warum Blond durch Männerfantasien spukt, angefangen bei Darstellungen der Aphrodite über die Jungfrau Maria, die beide garantiert schwarzhaarig, weil südländisch waren, bis hin zu Marilyn Monroe, auch von Natur aus brünett. Es muss mit dem uralten Vorurteil zusammenhängen, Blondinen seien nicht nur erotisch und verführerisch, sondern auch kindlich-naiv und unterwürfiger.
Auch am Theater ist die Besetzung Glückssache. Ich hatte oft Glück,
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