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Im Leben gibt es keine Proben (German Edition)

Im Leben gibt es keine Proben (German Edition)

Titel: Im Leben gibt es keine Proben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Biermann
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Die Antoni
    In der Spielzeit 1971/72 lernten wir uns kennen, als wir gemeinsam von der Berliner Volksbühne engagiert wurden. Die Schauspielerin Carmen-Maja Antoni kam vom Potsdamer Theater, wo die kleine Frau bereits große Erfolge gefeiert hatte. Einar Schleef hatte Bühnenbild studiert und war nach Exmatrikulation und erneuter Immatrikulation Meisterschüler an der Akademie. Und ich kam mit einem Logik-Diplom als Dramaturg zu Benno Besson zurück, bei dem ich ein paar Jahre zuvor schon gearbeitet hatte. Drei Anfänger, jung und ehrgeizig und gewillt, das ganze alte Theater umzukrempeln.
    Schleef legte vor. Er entwarf für den Don Gil von den grünen Hosen ein Bühnenbild in Schwarz. Alles war schwarz, die Wände, die Bühnenbauten, die Kostüme. Revolutionär eben. Der großherzige Besson war außer sich, versuchte in langen Gesprächen uns diesen ästhetischen Unsinn bei einer Komödie auszureden und verbot schließlich, da Schleef sich heftig wehrte, ein solch niederdrückendes Bühnenbild. Carmen-Maja gelang es mit ihrem Witz und Charme, den wütenden, laut tobenden Schleef wieder ins Haus und an die Arbeit zu holen. Mit dem Trotz eines Kindes kippte er alles um 180 Grad, das vormals schwarze Bühnenbild wurde weiß. Alles, aber auch wirklich alles auf der Bühne war nun weiß. Nur Carmen-Maja, die die Hauptrolle spielte, steckte in einer grünen Hose, mit der sie auf dieser weißen Bühne und von den weißen Kostümen ihrer Mitspieler ungemein hervorstach. Und sie raste über die Bühne, verzückte das Publikum, bezauberte es.
    Sie strahlte Spielwitz, Theaterlust, Präsenz aus, und ihr Publikum liebte sie. Das blieb so, an der Volksbühne, an den Theatern, an denen sie gastierte, am Berliner Ensemble. Sie war der Narr, ein weiblicher Clown, der zuweilen bösartige Schalk. Witz und Ironie sprühen aus ihren Augen. Mit ihrem Lachen, einem Glucksen und Krähen, entkrampfte sie schwierige Arbeitssituationen und brachte die Bühne zum Leuchten. Die Komödie, schien es, war ihr Fach, und je älter sie wurde, desto komischer konnte sie sein.
    Mit der gleichen Eleganz und Vollkommenheit von Gestik und Körpersprache eroberte sie sich mit den Jahren die großen, ernsten, tragischen Rollen der Bühnenliteratur. Die älteren und auch alten Frauen, die sie nun spielt und mit denen sie zu einer der führenden und das Theater tragenden Schauspielerinnen wurde, ergreifen das Publikum. Wenn sie mit dem Wagen der Courage kämpft oder die stumme Verzweiflung einer ohnmächtigen Mutter mit einer winzigen Geste andeutet, zeigt sie uns den Irrsinn der Welt und das Leid der Kreatur.
    Nach wie vor erobert Carmen-Maja Antoni ihr Publikum – in Berlin, in Deutschland, bei den Gastspielen und Auftritten in aller Welt. Die Liste ihrer Kinofilme und Fernsehproduktionen ist lang, außerordentlich lang, als habe diese Schauspielerin täglich mehr als nur vierundzwanzig Stunden zur Verfügung. Und ungebrochen sind ihre Kraft und ihre Energie. Noch immer sprühen aus ihr Lebenslust und Spielfreude. Diese kleine große Kämpferin vermag mit ihren leuchtenden Augen, ihrer unverwechselbaren Stimme, ihrem Körper die größten Bühnen zu füllen, das Publikum zu verzaubern und zu begeistern. Diese Frau ist eine der ganz Großen des Theaters, des Films, des Spiels.
    Christoph Hein

Prolog
    Wohin ich auch kam, fast immer war ich die Kleinste, meist die Jüngste, und dann auch noch komisch – so landet man leicht in einer Schublade. Alles, was in der Kindheit durchaus vorteilhaft war, erwies sich im Erwachsenenleben als Problem: Groß und blond ist besser als klein und blond, zumindest in meinem Beruf, langes Haar ist besser als kurzes, gelocktes noch besser als glattes, und lange Beine wirken mehr als kurze. Nicht, dass ich Minderwertigkeitskomplexe hätte, davon bin ich weit entfernt, aber derartige Urteile klangen häufig in Besetzungsbüros in Ost und West durch: »In der Rolle sehe ich Sie nicht.« »Ich glaube, wir nehmen einen anderen Typ.« »Toll gespielt, aber wir haben uns anders entschieden.«
    Was mich jedes Mal aufs Neue verwunderte, denn sie hatten mich ja bestellt, wussten, wie ich aussehe.
    Schon bei der DEFA entsprach ich nicht dem Frauenbild der Regisseure. So bekam ich sehr viele kleine, ein paar mittlere und selten große Rollen. Doch ich habe nie gehadert, ich nenne es meine »Lichter-Karriere«, weil jede Figur leuchtete. Immer hatte ich eine Große oder einen Großen als Partner, und ich hielt mit.
    Zwei dieser »Lichter«

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