Im Morgengrauen
anschließend noch was trinken. Es gibt eine nette Piano-Bar nicht weit.“
„ Hast du wirklich Lust, etwas zu unternehmen heute Abend, oder versuchst du nur, mich zu unterhalten?“, fragte ich stutzig.
„ Ich muss nicht unbedingt raus, aber außer Cerealien gibt es hier nichts Essbares, und ich werde mich heute Abend bestimmt nicht von Cornflakes oder Müsli ernähren.“
„ Können wir nichts liefern lassen?“
„ Doch natürlich, es sind ganz viele Flyer in der Küche.“ Er holte sie. „Irgendwelche Gelüste? Was haben wir im Angebot? Chinesisch, griechisch, mexikanisch, italienisch. Sushi gibt es auch. Wir haben alles, was das Herz begehrt.“
Er legte ein Dutzend Broschüren auf die runde Glasplatte vom Tisch, dessen schlichte Füße aus Metall waren. So übel sah der gar nicht aus, modern halt.
„ Ich hätte Lust auf etwas Mexikanisches, und du?“, hakte ich nach.
„ Alles, was du willst! Hauptsache kein Sushi.“
„ Keine Sorge, ich hasse rohen Fisch. Es sei denn, er ist geräuchert.“
„ Wenigstens beim Fisch haben wir den gleichen Geschmack.“
„ Immerhin, schon ein Anfang. Lass mal sehen … Was hältst du von der Potana für zwei? Guacamole, Nachos, Taquitos, und Quesadillas, mit Huhn und Rindfleisch. Es ist vielfältig und so kann man von allem probieren.“
„ Klingt gut! Und ansonsten? Womit könnte ich dir eine Freude machen?“, erkundigte er sich mit einem verschmitzten Lächeln.
„ Erstens mit einem Bad, gefolgt von einer Massage. Mein Nacken ist total steif von der Reise. Außerdem würde ich gerne etwas ganz Banales machen, etwas was wir noch nie getan haben … einen Film zusammen gucken … zu Hause.“
„ Ist dir bewusst, dass du gerade
zu Hause
gesagt hast?“
„ Klar! Das war ja auch die Absicht.“
„ Ein verlockendes Programm. Darf ich mit dir baden?“
„ Was für eine Frage!“
„ Lass uns in den Keller gehen, um den Karton mit den DVDs zu holen.“
„ Ich kann auch etwas hochtragen.“
„ Sicher. Ich brauche dich für die Weinflasche.“
„ Ich meinte einen Karton.“
„ Als ob ich dich Kisten schleppen lassen würde“, sagte er kopfschüttelnd.
„ Du vergisst, dass ich eine starke Frau bin.“
„ Nein, Catwoman. Ich vergesse gar nichts. In gewissen Dingen bin ich aber altmodisch.“
Er schaute mir in die Augen und küsste meine Hand, die gar nicht so zerbrechlich war, wie sie aussah.
Unser Entspannungsbad entpuppte sich als reine Katastrophe. Die Badewanne war viel zu klein, mir wurde kalt, weil ich meinen Körper nicht völlig unter Wasser tauchen konnte. Ungeschickt wie ich war, kippte ich sogar Rotwein ins Badewasser, als ich mich umdrehen wollte. Von Entspannung konnte keine Rede sein, trotz allem hatten wir jede Menge Spaß. Später machte die Massage den Rest wieder wett. Yannicks Hände kneteten mich überwiegend oberhalb der Taille. Nur ganz selten verirrten sie sich weiter unten, wo sie an Druck verloren. Fürsorglich holte er schließlich ein Hemd raus, damit ich meine Schulter bedecken konnte.
Das Essen war köstlich, wenn auch zu umfangreich. Hinterher hatte ich wieder den Eindruck, ich würde platzen.
Nach langem Suchen fand Yannick endlich die ersehnte DVD
Once
, von der er mir bereits erzählt hatte. Es ging um die Entstehung von Musik und Gefühlen. Eine schöne Liebesgeschichte, auch wenn die Protagonisten sich am Ende trennten, ohne sich jemals geküsst zu haben. Selbst für männliche hartgesottene Musikliebhaber sehr zu empfehlen.
Für mich ein außergewöhnlich schöner Abend, auch wenn nichts Außergewöhnliches geschah. Vielleicht gerade deshalb. Zum ersten Mal schliefen wir in unserem von nun an gemeinsamen Bett, und für nichts auf der Welt hätte ich woanders sein wollen.
Am nächsten Tag wachte ich allein im Doppelbett auf. Ich rief nach Yannick, erhielt jedoch keine Antwort. Im Liegen inspizierte ich bei gedämpftem Licht mein neues Zuhause. Genau genommen erinnerte mich der Raum sehr an sein Zimmer im Jura. Er war größer und bot mehr Platz für Regale, die schon seltsam aussahen, weil sie zum großen Teil leerstanden. Das würde sich aber bald ändern. Der Esstisch und vier Stühle ersetzten die Sitzecke mit den riesigen Kissen auf dem Boden. Die modernen Stühle aus Metall und schwarzem Kunstleder mit Armlehnen hatten sich als sehr bequem erwiesen. Es gab keinen Schreibtisch, der befand sich ja im Nebenraum. Auch hier gab es keinen Platz für Kleiderschränke. Das breite Bett war schlicht
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