Im Netz der Sinnlichkeit
bin so froh, dass du nun zur Familie gehörst«, sagte er. »Schon am ersten Tag auf der Krankenstation, als ich vor allem und jedem Angst hatte, habe ich mich nicht vor dir gefürchtet. Deine Hände waren so sanft wie die von Mom.«
Tränen stiegen in Laras Augen auf. »Sie hat dich sehr geliebt.« Tobys Mutter hatte sich für ihn eingesetzt, bis ihre telepathische Gabe sie in den Tod getrieben hatte. Ihr Junge hatte die Gabe geerbt, er hatte die nachtschwarzen Augen eines Kardinalmedialen, weiße Sterne auf samtschwarzem Hintergrund. Doch er war nicht isoliert, musste nicht allein damit fertigwerden – physisch und psychisch unterstützten ihn das Netzwerk der Familie, andere Mediale, Wölfe und Leoparden. »Ich möchte dich auch gerne liebhaben dürfen.«
Tobys Lächeln war sehr süß … und enthielt eine Spur vom Übermut eines Jungen auf der Schwelle zum jugendlichen Schwerenöter. »Das tust du doch schon – du liebst alle Jungen im Rudel. Das spüre ich.« Er umarmte sie noch einmal und flüsterte: »Aber wenn du Marlee und mir eine Extraportion Liebe schenken willst, werde ich es den anderen nicht verraten.«
»Abgemacht.« Lachend strich sie ihm das Haar aus der Stirn, als Marlee mit Walker um die Ecke bog und in vollem Lauf die Arme um ihren Hals schlang.
»Dad meint, du gehörst nun zu uns.« Mit den großen grünen Augen und den klaren Gesichtszügen war sie ganz offensichtlich die Tochter ihres Vaters, doch eine ganz eigene Persönlichkeit. Die einzigartige Marlee. »Stimmt das wirklich?« Rötlichblonde Strähnen hatten sich aus dem Band im Nacken gelöst und fielen ihr ins Gesicht. »Gehörst du zu uns?«
Alle Sorgen, ob Marlee sie wohl ablehnte, zerstreuten sich bei dieser Begeisterung. »Ja«, sagte Lara und nahm den zarten Körper fest in die Arme. »Ich gehöre zu eurer Familie.«
»Juchhu!!« Marlee tanzte davon, nahm Tobys Hände und ließ sich von ihrem Cousin herumwirbeln. »Schneller, Toby!« Sie quietschte, als ihr Haar flog und sie den Boden unter den Füßen verlor. »Lass mich bloß nicht fallen.«
Toby lachte wie ein netter älterer Bruder – und das war er im Grunde auch, trotz des anderen Verwandtschaftsgrads. Er packte sie fester. »Soll ich aufhören?«
»Nein. Schneller!«
Lara musste auch lachen, sie sah Walker an, auf dessen Zügen ein Schatten lag. Schnell ergriff sie seine Hand und strich ihm über das frisch rasierte Kinn. »Der Rat kann ihnen nie wieder das Recht nehmen, glücklich zu sein.«
Ihr Gefährte sagte nichts. Doch sie liebte ihn und merkte, wie sehr ihn das Gesagte berührte, in der Art, wie er sie in den Arm nahm.
Am nächsten Tag schien sich seine Stimmung aufgehellt zu haben. Als er sie abends verließ, um eine Wache an der Grenze zu übernehmen, sagte er: »Du verwöhnst sie.« Eine Hand an ihrer Wange, die Lippen an ihrem Ohr.
»Ich weiß«, gab sie zu, stellte Schokoladenkekse und Milch auf ein Tablett für die Kinder, die im Wohnzimmer vor dem Bildschirm auf dem Boden saßen und fasziniert ein Quiz verfolgten.
Sie spielte mit seinen Hemdknöpfen. »Ist doch in Ordnung, oder etwa nicht? Nur ein paar Tage noch.«
Sie hatte sich schon oft um Junge gekümmert, meist aber nur kurze Zeit, da hatte es keine Rolle gespielt. »Nach allem, was passiert ist, können sie ein wenig Bemutterung gut gebrauchen.«
Walker hätte gerne das entschuldigende Lächeln weggeküsst … dann wurde ihm klar, dass er es tun konnte. Wo und wann immer es ihm passte. Sie hatte ihm das Recht zugestanden. »Dann muss ich wohl der Gestrenge sein«, murmelte er, als ihre Herzen aus dem Takt geraten waren.
Sie sah ihn böse an, strich aber besitzergreifend über seine Brust. »Ich kann auch streng sein. Frag nur die Jugendlichen.«
Seine Gefährtin war mutig. Er war so stolz auf ihre Kraft und Zielstrebigkeit. Doch sie war auch unglaublich freundlich, vergab schneller als andere und würde sich die Hand abhacken, um einen anderen zu retten. Zweifellos verwöhnte sie die Kinder sehr … aber das taten Mütter nun einmal. Sollten sie jedenfalls. Und er würde sie nicht davon abhalten.
Denn selbst die quirlige, ewig schnatternde Marlee hatte eine schon sehr erwachsene Seite, die er ihr lieber erspart hätte. Seine Tochter hatte Bitteres in einem Alter erfahren, in dem der Geist noch unschuldig und unverletzt sein sollte. Doch der Stich ins Herz war gerade von der Person gekommen, die sie eigentlich mehr als alle anderen hätte schützen sollen.
Nie würde er Yelene den Blick
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