Im Reich des Wolfes
aus undurchsichtigem Glas, die in weißem Licht glühten. Gracus zog sein Schwert und schlug gegen ein Paneel. Es zerbrach und ließ Splitter auf den Fußboden regnen. Dahinter befand sich ein langer, glänzender Zylinder. Ein zweiter Krieger schlenderte heran und stieß sein Schwert hinein. Es gab einen Blitz, und der Ritter wurde von den Füßen gehoben und meterweit durch den Raum geschleudert. Die Hälfte der Lichter in der Halle wurde schwächer und erlosch.
Gracus lief zu dem am Boden liegenden Mann und kniete neben ihm nieder. »Tot«, sagte er, stand auf und wandte sich den anderen zu. »Rührt nichts an! Wir werden auf den Meister warten. Die Zauber sind mächtiger, als wir begreifen können.«
Bodalen, der das Summen so laut empfand, daß es ihm Übelkeit verursachte, ging durch den Saal auf eine offene Tür zu. Dahinter sah er einen gewaltigen Kristall von etwa einem Meter Umfang, der zwischen zwei goldenen Schalen schwebte. Winzige schimmernde Lichtblitze umzuckten ihn, während er sich um sich selbst drehte. Bodalen trat in den Raum. Hier waren die Wände ganz aus Gold, bis auf die gegenüberliegende Wand, von der die Verkleidung teilweise abgerissen war, so daß behauene Granitblöcke sichtbar wurden, die derart verformt waren, daß man ihre ursprüngliche Form kaum mehr erkennen konnte.
Doch es war weder der Kristall, noch waren es die goldenen Wände, die ihm den Atem raubten.
»Gracus!« rief er. Der Ritter der Bruderschaft betrat den Raum -und blickte auf das ungeheure Skelett, das vor der gegenüberliegenden Wand ausgestreckt lag.
»Bei den Göttern! Was ist das?« flüsterte Bodalen.
Gracus schüttelte den Kopf. »Eine Ausgeburt der Hölle sicherlich«, antwortete er und kniete neben den beiden Schädeln nieder. Seine Finger fuhren die Zwillingslinie von Wirbeln entlang, die zu den gewaltigen Schultern führten. Das Wesen, was es auch gewesen sein mochte, besaß drei Arme, von denen einer unterhalb des gewaltigen Brustkastens entsprang. Einer der Ritter versuchte, den Oberschenkelknochen anzuheben, doch die verrotteten Sehnen hielten ihn fest.
»Ich kann nicht einmal die Hände um den Knochen legen«, sagte der Mann. »Das Biest muß mindestens vier Meter groß gewesen sein, vielleicht noch größer.«
Bodalen warf einen Blick zurück auf die Tür, die nicht mehr als einen Meter breit und zwei Meter hoch war. »Wie ist es hier hereingekommen?« fragt er. Gracus ging zur Tür. In dem Metall, das den Rahmen umgab, befanden sich lange Kratzer, durch die man den dahinterliegenden Stein sehen konnte.
»Ich weiß nicht, wie es hereingekommen ist«, sagte Gracus leise, »aber es hat sich die Finger bis auf die Knochen aufgerissen, um hier herauszukommen. Es muß noch einen anderen Zugang geben. Einen verborgenen.«
Eine Zeitlang suchten sie die Wände nach einer Geheimtür ab, fanden aber nichts. Bodalen spürte, wie ihn eine gewaltige Müdigkeit überkam, und seine Kopfschmerzen verschlimmerten sich. Er wollte zur Tür, doch seine Beine gaben nach, und er sank zu Boden. Die Müdigkeit überwältigte ihn, und er sah Gracus vor dem kreisenden Kristall in die Knie gehen.
»Wir müssen ... hier raus«, sagte Bodalen und versuchte, sich über den glänzenden goldenen Boden zu ziehen. Doch ihm fielen die Augen zu, und er sank in einen tiefen Schlaf.
Langsam kam er wieder zu sich. Er sah ein Bauernhaus an einem Bach, dahinter ein Kornfeld und blaue, im Dunst liegende Berge in der Ferne. Ein Mann ging hinter einem Ochsengespann her. Er pflügte ein Feld.
Vater.
Nein, nicht Vater. Vater ist Karnak. Er hat nie in seinem Leben ein Feld gepflügt.
Vater.
Verwirrung schlug über ihm zusammen wie Nebel, wirbelnd, unwirklich. Er blickte zur Sonne auf, aber es gab keine Sonne, nur einen kreisenden Kristall hoch am Himmel, der summte wie tausend Bienen.
Der Mann mit dem Pflug drehte sich zu ihm um. »Sei nicht so faul, Gracus!« sagte er.
Gracus? Ich bin nicht Gracus. Ich träume. Das ist es! Ein Traum. Wach auf!
Er spürte, wie er sich aus dem Schlaf erhob, spürte sein Fleisch und seine Muskeln. Er versuchte, den Arm zu bewegen, doch er schien wie festgenagelt. Er schlug die Augen auf. Gracus lag neben ihm. Dicht neben ihm. Er muß auf meinem Arm liegen, dachte Bodalen. Er versuchte, sich wegzurollen, doch Gracus bewegte sich mit ihm. Sein Kopf wackelte hin und her, und sein Mund stand offen. Bodalen mühte sich, aufzustehen. Er spürte ein ungewohntes Gewicht auf seiner rechten Seite und drehte den
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