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Im Reich des Wolfes

Im Reich des Wolfes

Titel: Im Reich des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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gegen einen menschlichen Feind erhoben. Und sie starben ohne Widerstand, als der Feind die Mauern durchbrach. Doch in einem einzigen Moment hatte ich alles verraten, wofür wir einstanden.
    Ich hatte nicht nur menschliches Leben genommen, ich hatte zwei Männer jeder Chance auf Erlösung beraubt.
    Ich ging zurück zu den Kindern und nahm sie in die Arme. Mein Geist drang in sie beide ein und verschloß die Türen zu ihrem Talent, beraubte sie ihrer von der QUELLE verliehenen Gabe, damit die Bruderschaft sie nie mehr finden könnte. Ich brachte sie zu Bett und beruhigte sie, so daß sie einschlafen konnten. Dann schleppte ich die Toten von der Lichtung und begrub sie in einem flachen Grab.
    Seitdem werde ich von diesem Tag verfolgt, und keine Stunde meines Lebens vergeht, ohne daß ich daran denke. Ich möchte nicht, daß einer von euch ein solches Bedauern empfinden muß. Und die sicherste Methode, die ich kenne, um diesen Schmerz zu vermeiden, besteht darin, daß jeder von euch den Stab der QUELLE nimmt.« Dardalion setzte sich, und Ekodas sah, daß die Hände des Abtes zitterten.
    Der junge Priester holte tief Luft und stand auf. »Brüder, unser Abt hat kein Wort gesprochen, dem ich nicht zustimmen würde. Aber das allein macht seine Argumente noch nicht stichhaltig. Er sprach davon, daß Liebe Liebe hervorbringt und daß aus Haß weiterer Haß entsteht. Wir alle stimmen dem zu - und wenn das alles wäre, was wir besprechen wollten, gäbe es keinen Anlaß mehr für mich, das Wort zu ergreifen. Aber die Sache ist unendlich viel schwieriger. Man hat mich aufgefordert, ein Argument zu vertreten, das ich grundsätzlich ablehne. Hat Ekodas recht, und sein Argument ist falsch? Ist das Argument gut, und Ekodas' Urteilsvermögen nicht ungetrübt? Woher soll ich das wissen? Wie kann einer von uns das wissen? Also laßt uns ein umfassenderes Bild betrachten.
    Wir sitzen hier in Sicherheit, in einem Kreis von Schwertern, die von anderen geführt werden. Rekruten in Delnoch, Lanzenreiter am Skeln-Paß, Infanteristen in Erekban: Sie alle bereiten sich darauf vor zu kämpfen und möglicherweise sogar zu sterben, um ihre Familien, ihr Land und uns alle zu schützen. Sind sie schlecht? Wird die QUELLE ihnen das Geschenk der Ewigkeit verwehren? Ich hoffe nicht! Diese Welt wurde von der QUELLE geschaffen, jedes Tier, jedes Insekt, jede Pflanze, jeder Baum. Aber damit ein Ding leben kann, muß für gewöhnlich ein anderes sterben. Das ist der Weg aller Dinge. Wenn die Rose wächst, nimmt sie kleineren Pflanzen das Licht, das sie brauchen, und erstickt sie. Damit der Löwe gedeihen kann, mußt der Hirsch sterben. Die ganze Welt liegt miteinander im Kampf.
    Aber wir sind in Sicherheit. Und warum? Weil wir zulassen, daß die Verantwortung - ja, und die Sünde - in den Händen anderer liegt.« Er hielt inne und betrachtete die lauschenden Priester, den stolzen Vishna, früher ein Adeliger aus Gothir, den feurigen Magnic, dessen Augen sein Erstaunen angesichts des scheinbaren Wandels des Sprechers spiegelten, den schlanken, geistreichen Palista, der ihn mit einem Ausdruck trockenen Humors anschaute.
    Ekodas lächelte. »Ach, meine Brüder, wenn das Argument nur lauten würde, daß wir Kriegerpriester würden, wäre es einfacher, moralische Einwände zu erheben. Aber das ist nicht die Wirklichkeit. Wir sind hier zusammengekommen, weil die Dunkle Bruderschaft durch die Welt streift, bereit, Chaos und Verzweiflung über dieses und andere Länder zu bringen. Und wir wissen, durch die Erinnerungen unseres Vater Abts, wessen diese Männer fähig sind. Wir wissen, daß gewöhnliche Krieger gegen ihre finsteren Mächte nicht bestehen können.«
    Wieder hielt er inne und nahm einen Schluck Wasser aus seinem irdenen Becher. »Der Vater Abt sprach davon, wie er die Männer erschlug, die die Kinder holen wollten - aber was war die Alternative? Was die Männer und ihre Erlösung betrifft, wer kann sagen, wohin ihre Seelen reisten und welche Hoffnung auf Erlösung es dort gibt?
    Nein, was diesen furchtbaren Tag betrifft, so hat unser Abt Grund, nur eins zu bedauern: die Freude, die er beim Töten empfand. Denn das ist der Angelpunkt seines Arguments. Als Kriegerpriester müssen wir - wenn wir denn kämpfen müssen - ohne Haß kämpfen. Wir müssen die Verteidiger des Lichts sein.
    Diese von der QUELLE erschaffene Welt befindet sich in einem empfindlichen Gleichgewicht, und wenn die Waagschale des Bösen schwerer ist als die des Guten, was sollen wir

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