Rolf Torring 112 - Die Thugs
1. Kapitel
Das Rätsel um die Götterfigur
„Die Sonne blendet zwar sehr, Herr Torring, so daß ich mich täuschen könnte," meinte Kapitän Hoffmann und deutete nach Osten, »aber ich glaube, da vorn schwimmt ein U-Boot. Das Ganze sieht aus wie ein Wal. Aber nach dem Südchinesischen Meer verirren sich bestimmt keine Wale!"
Wir blickten gespannt in die angegebene Richtung, konnten aber der aufgehenden Sonne wegen kaum etwas erkennen. Das Wasser flimmerte und funkelte so, daß ich schließlich die Augen zumachen mußte. Rolf nahm das Fernglas, bis auch ihm die Augen weh taten.
»Sie haben recht, Kapitän, es ist ein U-Boot. Aber es scheint still zu liegen. Wollen wir hinfahren und nach ihm schauen?"
Ich blickte Rolf lächelnd an, denn ich wußte, was seine Frage sagen wollte. Er dachte wie ich an unseren Bekannten, an Kapitän Farrow und seine Mannschaft. Sein U-Boot hielt sich oft in den Gewässern auf, die wir gerade durchfuhren. Als ich meinem Freunde zunickte, gab er Kapitän Hoffmann die Anweisung, Kurs auf das U-Boot zu nehmen.
Balling, unser Begleiter, war noch unter Deck; er hatte den Sonnenaufgang verschlafen. Ihm lag das Seefahren nicht; seine Leidenschaft waren Märsche zu Lande. Das Meer und seine Romantik, die ich so liebte, ließen ihn kalt.
Wir kamen dem U-Boot rasch näher. Es lag still auf dem Wasser, man schien uns »drüben" auch noch nicht bemerkt zu haben. Plötzlich aber — versank das U-Boot, es tauchte. Als wir die Stelle erreichten, wo es eben noch gelegen hatte, war es spurlos verschwunden.
»Das war sicher Kapitän Farrow!" meinte Rolf. »Wenn er gewußt hätte, daß wir auf der Jacht sind, wäre er bestimmt nicht getaucht. Schade, daß wir die Gelegenheit, ihn wiederzusehen, verpaßt haben"
»Ich hatte mich auch schon gefreut, Rolf. Vielleicht taucht er noch mal auf, dann können wir ihm ja schnell ein Zeichen geben."
»Farrow ist wahrscheinlich schon eine ganze Strecke entfernt. Er vermutete wohl Vergnügungsreisende an Bord der Jacht, mit denen er nicht zusammentreffen wollte, weil sie meist den Mund nicht halten können, sondern ihre Erlebnisse spätestens im nächsten Hafen an den Mann zu bringen suchen."
Wie sich später herausstellte, war das U-Boot nicht das des Kapitäns Farrow gewesen, sondern ... , aber ich will nicht vorgreifen.
Wir nahmen wieder unseren alten Kurs auf und hofften, gegen Abend die Hafenstadt Cholon zu erreichen. Das Wetter war herrlich. Im Grunde hatten wir überhaupt bisher außerordentliches Glück gehabt, denn wir waren noch nie von einem Unwetter überrascht worden, wie sie in diesen Meeren nicht allzu selten vorkommen. Wenn wir uns auch auf Kapitän Hoffmann verlassen konnten, so war unsere Jacht doch nicht so groß, daß sie einem orkanartigen Sturm hätte trotzen können.
Wir befanden uns auf der Fahrt von Borneo nach Cochin-China, wo wir in der Nähe von Saigon die alten Tempel untersuchen wollten. Anlaß dazu hatte uns Professor Thomson auf den Pomaran-Inseln gegeben (siehe Band 110: »Der Herr von Pomaran"), der früher einmal bei Saigon ein eigenartiges Erlebnis gehabt hatte. Das allein hätte allerdings nicht genügt, uns nach Saigon zu locken, wenn da nicht die kleine Götterfigur gewesen wäre, die Professor Thomson Rolf beim Abschied schenkte. Sie barg — ein kleines Geheimnis, das der Professor, der sich nur für vorsintflutliche Tiere und ihre Gerippe sowie für Versteinerungen interessierte, noch gar nicht entdeckt hatte.
Rolf hatte versprochen, uns beim Frühstück das Geheimnis der kleinen Figur zu enthüllen. Wir warteten nur noch auf Ballings Erscheinen.
Wie ich im letzten Bande schon erzählte, war der junge deutsche Ingenieur Lagens, als er keinerlei Verfolgung mehr durch die Behörden zu befürchten hatte und seinen richtigen Namen wieder annehmen konnte, sofort mit dem Torpedojäger nach Brunei zurückgekehrt (siehe Band III: »Der Todesweg"). An Bord befanden sich außer Rolf, Balling, Pongo mit Maha und mir also noch Kapitän Hoffmann, Steuermann John, der Matrose William und der Chinesenjunge Li Tan, die sozusagen die Schiffsbesatzung bildeten.
Rolf hatte die Absicht geäußert, von Saigon aus wieder ins Innere des Landes vorzudringen. Die Jacht sollte in Kapitän Hoffmanns Obhut bleiben, der in den Gewässern, die er genau kannte, kleine Ausflugs- und Vergnügungsfahrten unternehmen wollte, um sich sein Brot
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