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Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Titel: Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Rath
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hinunter, dass das ganze Haus erzitterte. Der Riese blieb vor Herta Forck und ihren Söhnen stehen.
    »Dein Bier war gut, Frau Quartiersmann«, sagte er und ging weiter.
    Moritz schaute auf das Seil, das dem letzten Mann von der Schulter baumelte. Es hatte vier dicke Knoten.
    Kaum waren die Männer im Hof, hasteten Herta und ihre Söhne nach oben und stießen die Wohnungstür auf. Johann Forck lag auf dem Bauch unter dem Tisch, die Beine weit in denRaum gestreckt. Die Mutter stieß einen spitzen Schrei aus, um Moritz drehte sich alles, und Jan schnaubte wie ein Rhinozeros.
    Unter der Küchenbank zischte ein warnender Ruf hervor. »Bewegt euch nicht!«
    »Johann«, polterte Herta Forck, »was machst du unter dem Tisch? Wenn du uns erschrecken willst, ist dir das bestens gelungen.«
    »Mir ist der Tabaksbeutel runtergefallen. Wehe, es tritt mir einer auf die Krümel!«
    Ungeduldig schaute Moritz zu, wie sich sein Vater unter der Bank herausschälte.
    »Erzähl endlich! Was haben sie gesagt?«, drängte die Mutter.
    Johann Forck betrachtete das Häufchen Tabak in seiner Hand. »Kein Staub dazwischen«, sagte er anerkennend. »Es ist schon ein Segen, wenn man eine ordentliche Frau im Hause hat.«
    Herta überhörte das Lob. »Nun red schon!«
    Johann ließ den Tabak in den Beutel rieseln. »Die vier Kohlenjumper waren tatsächlich hinter Elbrand her. Sie wollten ihm einen Sack über den Kopf ziehen und eine tüchtige Abreibung verpassen.«
    »Warum?«, fragte Jan.
    »Elbrand gehörten einige Zinshäuser in der Neustadt. Er soll ein hartherziger Vermieter gewesen sein. Wenn jemand seine Miete nicht bezahlen konnte, ließ er unter Aufsicht der Polizei die Möbel raustragen und sie öffentlich versteigern. So hat er mehrere Familien ins Armenhaus gebracht.« Er trank den Rest Bier aus seinem Krug. »In diesem Jahr hat es einen Kohlen-Schauermann getroffen. Der hat kein Geld mehr nach Hause gebracht, weil er einen Unfall hatte. Deshalb die Wut auf ihn im Quartier.«
    »Aber sie haben ihn nicht erwischt«, sagte Mutter Forck.
    »Nein. Gerade als sie sich auf Elbrand stürzen wollten, geriet er mit dem Engländer in einen Streit. Das machte ihren schönen Plan zunichte. Sie haben ihr Vorhaben auf später verschoben.«
    »Das hat sich ja dann erledigt«, sagte Moritz.
    Jan stellte sich breitbeinig hin, holte aus und schlug seinem Vater kräftig auf die Schulter. »Mann, warst du tapfer! So viel Mut möchte ich auch mal haben.«
    »Gar kein Mut«, brummte der Quartiersmann, »überhaupt kein Mut. Ich habe mir fast in die Hosen gemacht vor Angst. Aber ich habe sie nicht gezeigt. Das ist das Wichtigste: keine Angst zu zeigen. Das hilft bei Hunden   – und auch bei Menschen.«
    Auch Moritz war stolz auf seinen Vater. Er lehnte seinen Kopf gegen dessen Arm, ganz kurz nur, denn es war nicht üblich bei den Forcks, seine Zuneigung zu deutlich zu machen. Mutter Forck war offensichtlich der Ansicht, dass damit dem Vorfall genügend Aufmerksamkeit zuteil geworden war. Sie schepperte mit den Tellern und klapperte mit dem Besteck, dann knallte sie den Topf mit dem Abendessen auf den Tisch.
    Während des Essens wurden die vier schwarzen Männer nicht mehr erwähnt, die Gespräche drehten sich vielmehr um die täglichen Probleme im Speicher. Moritz hörte nur mit einem Ohr zu, er war abgelenkt, er dachte bereits wieder an Cäcilie und an den Engländer. Vielleicht kannten sie sich schon lange, hatten sich schon immer geküsst, es sah ja sehr nach einem verliebten Paar aus heute Mittag auf der Alster. Er seufzte tief. Sie hatte also nur mit ihm gespielt, dem kleinen Kontorlehrling, wie mit einem Domestiken. Wieder stöhnte er.
    »Hallo, Moritz!«, rief die Mutter ungeduldig. »Wasser runterbringen.«
    An diesem Abend küssten sich Moritz und Jette das erste Mal. Er hatte es sich nicht vorgenommen, und sie hatte ihn nicht darum gebeten, es passierte einfach so. Sie saßen auf den Stufen vor Stehrs Ausrüstungsgeschäft. Moritz hatte sie irgendetwas gefragt,er konnte sich später nicht mehr erinnern, was es war. Sie schaute ihm direkt ins Gesicht mit ihren großen blauen Augen, immerzu. Es war ein tiefer und endlos langer Blick. Moritz war sich hinterher nicht ganz sicher, ob sie ihn überhaupt wahrgenommen hatte. Sie sah so müde aus, wie sie da auf den Stufen saß, er musste sich einfach vorbeugen und ihr seine Lippen auf den Mund drücken.
    Jette hielt still, eine Ewigkeit, wie es ihm später schien. Als er seinen Kopf wieder zurücknahm,

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