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Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Titel: Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Rath
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gegriffen. Er erwischte ihr Handgelenk und riss es nach oben. Hustend und Wasser spuckend kam Cäcilie wieder hoch.
    Moritz hielt sie fest umklammert und robbte an der Kaikante entlang, die ganze lange Strecke bis zur Treppe. Das Mädchen im Wasser trieb wie ein Stück Holz hinter ihm her. Es war ihm völlig schleierhaft, wie er Cäcilie die Treppe hinaufbringen sollte, doch da warteten bereits zwei Männer auf der untersten Stufe, die sich ihres Fracks und des Zylinders entledigt hatten. Sie griffen nach dem Mädchen und schleppten es wie einen nassen Sack nach oben.
    Auf dem Neuen Jungfernstieg hatte ein Passant eine Droschke angehalten und lieferte sich ein heftiges Wortgefecht mit dem Kutscher, der den Transport von nassen Personen rundweg ablehnte. Als ihm jedoch eine drohende Menschenmenge näherrückte und sich ein wütendes Geschrei erhob, gab der Mann auf dem Bock seinen Widerstand auf.
    Währenddessen stand Cäcilie an der Uferkante, zitternd und vor Wasser triefend. Sie wurde von einer dicken Matrone gestützt. Moritz konnte nicht unterscheiden, ob es die Kälte war, die sie zittern ließ, oder ob ein Weinkrampf sie schüttelte.
    »Ich nehme das nasse Fräulein mit«, erklärte der Kutscher widerwillig, »aber so wie sie ist, kommt sie nicht auf die Polster. Sie kann sich neben mich setzen.«
    Moritz schwang sich neben Cäcilie auf den Kutschbock. »Große Reichenstraße!«, befahl er.
    Der Kutscher lenkte die Pferde vorsichtig durch die flanierenden Menschen auf dem Jungfernstieg. Moritz hielt Cäcilies Hand. Sie fühlte sich eisig an, wie von einer Toten.
    »Das dauert zu lange!«, schrie er. »Sie stirbt uns unterwegs weg.«
    Der Kutscher schaute erschrocken, dann hieb er auf die Pferde ein. Unter Gebrüll und Peitschengeknall raste das Fuhrwerk dahin, die erschreckten Fußgänger brachten sich fluchtartig in Sicherheit. Ein Polizeioffiziant, der sie aufzuhalten versuchte, konnte sich nur mit einem beherzten Sprung aus der Gefahrenzone retten.
    »Das kostet mich meine Lizenz«, stöhnte der Kutscher.
    Hinter sich hörten sie die Trillerpfeife des Polizisten.
    »Das Handelshaus Schröder und Westphalen wird dafür geradestehen«, sagte Moritz.
    Vor dem Speicher hob der Kutscher die nasse Cäcilie vom Bock herunter, und Moritz zerrte sie in die Diele. Da stand sie nun wie ein Häufchen Unglück, mit gesenktem Blick, während sich um sie herum ein See bildete.
    Moritz nahm drei Stufen auf einmal. Er rannte durch das Kontor auf das »Heiligtum« zu. Und auf Harms. Der war schützend vor die Tür gesprungen, hatte die Arme ausgebreitet, umihn aufzuhalten, versuchte womöglich auch, ihm ein Bein zu stellen, da war sich Moritz später nicht mehr ganz sicher. Er wich geschickt aus, dann war er im Büro von Caesar Schröder und schlug die Tür hinter sich zu. Der Patron blickte erstaunt hoch, faltete die Hände über seinen Papieren und wartete.
    »Cäcilie steht auf der Diele. Ganz nass! Sie ist in die Alster gefallen.«
    In diesem Augenblick stand Harms im Büro. Er blickte angeekelt an Moritz herunter, holte tief Luft, wollte offensichtlich gerade zu einer Strafpredigt ansetzen, da dröhnte die Stimme Caesar Schröders durch den Raum. »Herr Harms! Ich habe Sie nicht gerufen. Dies ist eine Privatangelegenheit der Familie Schröder, in die Sie sich nicht einzumischen haben. Gehen Sie wieder an Ihre Arbeit.«
    Mit einem Mal wurde es hektisch. Caesar Schröder riss eine der schweren Gardinen herunter, wies Alexander an, Madame zu informieren, jagte den Gärtner, der gerade kopfschüttelnd die Treppe hochkam, zu Doktor Falk und rannte in die Diele hinunter.
    Die immer noch zitternde Cäcilie wurde in die Gardine gehüllt und von ihren Eltern und ihrem Bruder in die Privatgemächer geführt. Kurz darauf kam das Hausmädchen mit einer Wärmflasche und heißen Handtüchern nach oben, dann polterte Doktor Falk die Treppe hoch.
    Nun war es still im Kontor. Moritz blickte beschämt auf seine Kleidung, die aussah, als hätte er damit den Neuen Jungfernstieg gefegt. Erde klebte an Hose und Jacke, aber auch Sand, Vogelkot und Reste von Pferdeäpfeln.
    Das war es dann wohl mit dem Kaufmannslehrling, dachte er. Unfähig, etwas zu tun, blickte er aus dem Fester. Kontorvorsteher Harms schien endlich begriffen zu haben, was vorgefallen war. Er beugte sich tief über sein Kontorbuch. Er wollte sich offenbar unsichtbar machen, denn er schien darin zu versinken.
    Nach einiger Zeit der absoluten Stille belebte sich das Kontor

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