Im Schatten des Ringes
leise. „Hat dieser eine Fehler dir deine ganze Kraft, all deine Fähigkeiten geraubt?“
„Das nicht“, widersprach ich verzweifelt. „Mein Herz ist so schwer, weil ich an das glaubte, was ich tat. Ich glaube immer noch, daß Sklaven intelligente Wesen sind.“
Der König warf einen warnenden Blick auf den Eingang und wollte schon protestieren, doch ich schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab.
„Keine Angst“, meinte ich, „dieses Thema ist für mich gestorben. Das wäre wirklich das letzte, was Ihr von mir zu hören bekommt. Aber erscheint es Euch nicht seltsam, daß Tarana sich nicht des richtigen Rituals bedient hat, die Angelegenheit zu regeln? Nur sie und ich und jetzt Ihr, wir wissen, daß sie die Erklärung eines Gelehrten mit religiösen Elementen verquickte.“
„Vielleicht hofft sie, dich auf diese Weise vor den Göttern in Mißkredit zu bringen“, vermutete er.
Ich schüttelte den Kopf. „Tarana ist in vielen Dingen recht seltsam, und man kann ihr vieles vorwerfen, ihre religiösen Pflichten nimmt sie jedoch sehr ernst. Sie benutzte … mißbrauchte ihr hohes Amt, um bestimmte Auffassungen der Öffentlichkeit hinsichtlich der Sklaven zu unterstützen, da es politisch vorteilhaft war. Als es endlich soweit war und sie in Gefahr geriet, suchte sie Zuflucht bei erniedrigenden und ungerechtfertigten Ritualen. Was meint Ihr denn, was ich empfinde, wo ich doch nach allem weiß, daß ich im Recht bin? Zwischen meinem Traum und den Sklaven gibt es gewisse Verbindungen.“ Ich verstummte, und er starrte mich erwartungsvoll an, halb hoffend, halb befürchtend, daß ich in meiner Aufregung etwas von meinem Traum preisgab. „Nun, es reicht wohl, darauf hinzuweisen, daß ich durchaus auch hätte annehmen können, von ihren Legenden und Geschichten beeinflußt gewesen zu sein, wenn ich meinen Traum nicht schon gekannt hätte, ehe ich überhaupt einen Sklaven zu Gesicht bekam.“
Der König runzelte die Stirn. „Willst du damit sagen, daß du Sklaven gesehen hast … hmm … wie sie übermenschliche Dinge bewirkten?“
Ich lächelte. „Ihr habt also auch schon die Geschichten der Sklaven gehört?“
Er schien sich dessen zu schämen. „Natürlich nicht. Ich habe noch nicht einmal in meiner Festung Sklaven. Nein, Tarana hat einige seltsame Ideen, daß die Sklaven irgendwann einmal mehr Einfluß bekommen werden … vielleicht denkt sie an eine Art Rebellion. Gegen diese Möglichkeit wappne ich mich.“
„Und Tarana steht dahinter. Ich fange an zu begreifen, warum sie mich so fanatisch bekämpft hat“, dachte ich laut nach. „Sie versucht, die Träume zu verändern, indem sie die Sklaven vollkommen unterdrückt.“
„Wir versuchen doch dauernd, die Träume zu verändern“, meinte der König ernst.
„Na schön, dann viel Glück“, sagte ich und ließ mich nach hinten gegen die Wand fallen. „Ihr hattet recht, als Ihr vermutet habt, ich wäre über mich selbst wütend, weil ich die Kontrolle verloren hatte. Ich war zu sorglos oder auch zu stolz, um mir alle möglichen Alternativen zu durchdenken, ehe ich mich allein in den Tempel wagte. Eigentlich müßte ich jetzt längst tot sein; ich wurde jedoch vor meinem eigenen Untergang gerettet.“
Der König kicherte verhalten. „Ein Vorfall dieser Art ist nicht gerade der Beweis dafür, daß die andere Seite eine schwache Position einnimmt.“
„Nein, aber immerhin wurde ich wirklich gerettet. Vielleicht war Eure rechtzeitige Rückkehr sogar eingeplant oder vorbestimmt, so daß Ihr Euch einschalten konntet und ich am Leben blieb, um einem anderen Schicksal zu begegnen.“ Ich spürte, wie sich meine Haut spannte und mein Pelz sich sträubte, während ich redete. „Ich war stets der Überzeugung, daß Träume Spekulationen und Projektionen von Tatsachen sind und vom hinteren Teil des Gehirns geformt werden. Ich glaubte stets, daß damit der hintere Teil des Bewußtseins einem sagen wollte: »Sieh doch, du hast die Fähigkeit, dieses Ziel zu erreichen. Es liegt allein an dir, die logischen Schritte zu überlegen, die zwischen deinem jetzigen Standort und dem Ort, zu dem du gelangen willst, gemacht werden müssen.“ Ich musterte den König, dessen Pelz sich ebenfalls vor Angst aufzuplustern schien. Über Träume zu reden machte ihn sogar nach so vielen Jahren immer noch nervös. Wenigstens hatte er dank seines Heilers Kontrolle über die Schmerzen, die früher derartige innere Anspannungen zu begleiten pflegten. „Jeder Träumer, dem ich
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