Im Schatten des Ringes
Pflichten und Verantwortlichkeiten hinwiesen, die sie wahrnehmen mußten, sobald das Gottesfeuer, die Sonne, wieder aufgegangen sei.
Dann war ich wieder allein in Sergis Hütte. Ich rollte mich auf einem Polster zusammen, das Diwan genannt wurde. Der hintere Teil meines Gehirns war mit Worten vollgestopft, die abgerufen wurden, wann immer ich mich umschaute und meine Umgebung betrachtete – Plastikwände, Synthetikfaserteppiche, Radio, die verrückte Kommunikationsanlage, Feinabstimmung, Kanalwähler, Hausmonitore, oktophonisches Klangsystem, Laser, Hologramme … die Liste war endlos. Für eine Weile döste ich ein, dann hörte ich wieder das Heulen und Dröhnen schwerer Geräte. Ich stand auf, drückte meine Nase gegen die transparente Wand – Fenster, teilte der hintere Teil meines Gehirns mir mit – und sah riesige Lichter, die von düsteren Schatten zum anderen Ende der Lichtung geschoben wurden. Nebenbei entdeckte ich jemanden, der auf mich zukam. Dem Schritt nach zu urteilen war es Teon. Ich beeilte mich, die Tür zu öffnen, und erinnerte mich zum Glück an die Reihenfolge der Handgriffe, die man mir beim ersten Mal gezeigt hatte. Ich fing an, mich sicherer zu fühlen, gewann mehr Selbstvertrauen und entschied, daß die magischen Dinge nichts anderes waren als Produkte außerordentlicher Klugheit.
„Ich wußte, daß du nicht schläfst“, sagte Teon.
„Natürlich nicht, aber du solltest es tun.“
Er zuckte die Achseln. „Es war zu heiß zum Schlafen“, sagte er. Er blickte zu Adrianas Wohnhütte und wirkte sehr verwirrt. Ich denke, ich sah in seinem Gesicht einen Ausdruck der Erleichterung, als ich die Tür hinter ihm schloß.
„Was ist los?“ erkundigte ich mich.
„Sie …“ Aber er verstummte und schüttelte den Kopf. „Nichts, ich dachte mir nur, du hättest vielleicht Lust auf etwas Gesellschaft.“
Wir saßen beieinander. Er roch immer noch nach Honig, daher rückte ich näher an ihn heran, bis meine Schulter die seine berührte. Die Anspannung in ihm durchzuckte mich wie eine Schockwelle.
„Erst heute habe ich erfahren, wie unangenehm Sex sein kann, wenn zwei Leute nicht vom gleichen Geist sind“, sagte er leise. „Ich hatte nie vorher Gelegenheit, das festzustellen; ich hatte niemals genügend Zeit für mich. Ich ekle mich, wenn ich daran denke, was ich mit dir zu tun versuchte.“
„Bist du immer noch traurig, daß wir nicht zu einer Vereinigung kamen?“
Er lächelte säuerlich. „Vielleicht, aber dafür auch klüger. Ich weiß jetzt, daß Sehnsucht nur bei einem, ganz gleich wie überwältigend, nicht genug ist.“
Er erhob sich und ging auf und ab und blieb schließlich am Fenster stehen. „Sie sind mächtig, Heao“, sagte er in offener Bewunderung. „Sie pulverisieren heute nacht Bäume, und morgen werden sie noch mehr niederreißen. Dann werden sie zu bauen anfangen, und es werden noch mehr Leute herkommen.“ Er atmete scharf ein. „Adriana hat mir einige holographische Darstellungen gezeigt.“ Er blickte mich an, und mein Schwanz schlug auf den Boden, um ihm anzuzeigen, daß ich keine weiteren Erklärungen brauchte.
Ich kam mir winzig und unbedeutend vor, als ich mich an die Größe ihrer östlichen Stadt erinnerte, die bizarren Formen der Gebäude, den Schimmer polierten Metalls und die Schlangen von Leuten, denen alle Wunder zu Füßen lagen. Der hintere Teil meines Gehirns versuchte dies zu ordnen, indem er detailliertere Bilder memorierte – die Reste einer Klippenstadt, die während eines Erdbebens ins Meer gestürzt war, und ein anderes von Erntewagen, die halb vom Meerwasser bedeckt waren und in einer Gegend vor sich hin rosteten, die früher einmal Ackerland gewesen war. Aber diese Tragödien trösteten mich nicht. Sie erinnerten mich nur an eines: wenn die Fremden das Meer nicht zurückhalten oder sich nicht vor Erdbeben schützen konnten, würden sie eine andere Stadt bauen und wieder Ackerbau betreiben, diesmal etwas weiter vom Epizentrum des Bebens entfernt und damit näher bei Schattenland.
„Am Morgen“, sagte Teon, „werde ich sie fragen, ob sie mir und den anderen Flüchtlingen Unterkunft gewähren, bis wir uns selbst was geschaffen haben.“
„Ich glaube nicht, daß sie dich abweisen werden“, sagte ich. „Sie haben soviel, das sie teilen können, und außerdem sind sie großzügig – sogar Adriana.“
Teons Augen verdüsterten sich bei der Erwähnung von Adrianas Namen, doch er nickte zögernd. Ich trat an die Tür und schaute mit
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