Im Schatten des Schloessli
Schulklassenüberfällen bei Weitem vor. Hatte sie genug Zeit, verweilte sie in solchen Momenten auf der Galerie und genoss schweigend den Blick auf das monumentale Aargauer Relief. Sie konnte es auch nach mehr als sechs Jahren in der Regierung nicht glauben, dass sie das Schicksal des Kantons an vorderster Front mitgestaltete. Wollte sie dieses Privileg wirklich aus Liebe zu ihrem Mann aufs Spiel setzen?
Heute ging sie zielstrebig an der Galerie vorbei, durchquerte den Themenraum zum ökologischen Fussabdruck, passierte das Kabinett der Vielfalt und gelangte endlich an ihr Ziel: den ZeitRaum. Es waren die beiden Tafeln neben dem Eingang – die Aussage des französischen Naturforschers Comte de Buffon: «Die Zeit ist der grosse Arbeiter der Natur» zusammen mit dem chinesischen Sprichwort «Einen Augenblick ungestört in Musse erleben heisst: Einen Augenblick unsterblich sein» –, die sie auf diesen wunderbar meditativen Ort mitten in Aarau einst aufmerksam gemacht hatten.
Sie schritt durch den Durchgang, hob den dicken Stoffvorhang bei einem der beiden inneren Türdurchbrüche an und schlüpfte in den hektikgeschützten Innenraum. Zunächst sah sie nur schwarz. Es dauerte mehrere Atemzüge, bis sich die Umrisse des massigen Steins vor ihr aus dem Dunkel schälten. Behutsam, um den Frieden des Ortes nicht zu stören, tastete sie nach der Sitzbank zwischen den beiden Türdurchbrüchen und setzte sich auf eines der dünnen Kissen. Sie sass gern hier. In der Dunkelheit. Ahnte mehr, als dass sie es sah, wie in regelmässigen Abständen ein Tropfen von der Decke in die wassergefüllte Kuhle auf der Steinoberfläche fiel und diese dabei um ein Yoktometer vertiefte. Lauschte dem Geräusch des Wassers nach, das in Wasser fiel. Mit jedem Tropfen wurde ihr privater Kummer unbedeutender, verloren ihre Sorgen an Gewicht.
Der Tod kam unerwartet, lautlos und schnell. Jennifer Schnellbächler nahm den Arm erst wahr, als er von hinten um ihren Hals geschlungen wurde und ihr seitlich die Halsschlagader abdrückte. Zum Schreien blieb ihr keine Zeit. Nicht einmal zum Stöhnen. Innerhalb von Sekunden sackte sie bewusstlos zusammen.
Langsam lockerte Johannes seinen Würgegriff. Mit der einen Hand hielt er den schlaffen Oberkörper weiterhin gegen seinen Leib gepresst, mit der anderen streifte er sich die Goldkette mit dem Kruzifix über den Kopf. «Fahr zur Hölle, du Hure des Teufels», zischte er, wickelte die Kette zweimal um den Hals des wehrlosen Opfers und zog zu.
Danke euch allen, die ihr mir ermöglicht, das zu tun, was ich am liebsten tue: schreiben.
Besonders danken möchte ich Bernhard Graser, Mediensprecher der Kantonspolizei Aargau, für seine Geduld, dem Café Kunz in Frick, meiner zweiten Schreibstube, für die Gastfreundschaft, Milena Moser und der Schreibgruppe vom Dienstagabend für ihre Unterstützung sowie Dr. Michael Wenzel, meinem Agenten, für seinen Glauben an mich.
Edwin Haberfellner
GRAZER VERSCHWÖRUNG
Kriminalroman
ISBN 978-3-86358-218-0
Leseprobe zu Edwin Haberfellner,
GRAZER VERSCHWÖRUNG
Prolog
Katharina knipste das Licht an und wartete, dass die Neonröhren zu flackern aufhörten. Sie schälte sich aus ihrem Wintermantel und warf ihn achtlos über einen Stuhl. Die Ventilatoren der Brutschränke brummten monoton vor sich hin, gelegentlich verstärkt durch die Lüfter der Kühlschrankkompressoren. Sie war wieder einmal die Erste im Labor. Die vergangene Nacht war schrecklich gewesen. Sie hatte sich im Bett herumgewälzt, so vieles war ihr durch den Kopf gegangen. Vielleicht würden sich ja jetzt auch ihre Haare bändigen lassen, daheim im Bad war nichts zu machen gewesen. Von wegen praktische Kurzhaarfrisur. Erst einmal brauchte sie einen starken Kaffee.
Als sie vom Kaffeeautomaten im Gang zurückkam, war die Labortür nur angelehnt, dabei hätte sie schwören können, sie hinter sich geschlossen zu haben. Katharina stieß sie auf und hätte beinahe ihren Kaffee verschüttet.
»Menschenskind, haben Sie mich erschreckt!«
Eine kleine stämmige Frau stand mitten im Labor und hielt sich die Hand vor den Mund.
Katharina verbiss sich ein Grinsen. »Was kann ich für Sie tun, Frau Weberknecht?«, fragte sie förmlich.
Susanne Weberknecht war die Leiterin des Personalbüros und für das Institut so überaus wichtig, dass ohne sie rein gar nichts ging. Zumindest sie war davon überzeugt.
»Ich versuche Sie schon seit einer Woche zu erreichen, und dabei waren Sie die ganze Zeit über hier.
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