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Im Schatten des Schloessli

Im Schatten des Schloessli

Titel: Im Schatten des Schloessli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Kahi
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ihn – seinen Ärmel noch immer fest in der Hand – über die Hüfte durch die Luft. Im ersten Moment glaubte er, es sei der Schwung des Angriffs, der seine Schulter schier auskugeln liess. Dann sah er den Abgrund jenseits der Fensterbrüstung. Er versuchte, Kurt Bretscher zurückzureissen oder ihn wenigstens so lange festzuhalten, bis er ihn mit der Rechten zu fassen bekam. Doch die physikalischen Kräfte waren unerbittlich. Fassungslos sah er mit an, wie ihm der Mann Millimeter um Millimeter entglitt. «Warum hilft mir denn keiner», brüllte er. Er registrierte entsetzt, wie der Zug an seinem Arm nachliess. Jeden Augenblick erwartete er, Bretschers Todesschrei zu hören. Als er stattdessen Geigys trockenes «Ich hab ihn» vernahm, begann er hysterisch zu lachen.

    Unold zitterte noch immer, als Kurt Bretscher längst sicher neben ihm und Geigy auf dem Fussboden lag. «Schock», hörte er eine Stimme neben sich, «psychisches Trauma.» Er brachte die Worte nicht mit sich in Verbindung. Auch den Stich in den Oberarm nahm er nicht wahr. Angespannt horchte er in die Ferne, ob der Schrei nicht doch noch käme. Alles blieb ruhig. Da umfing ihn die Schwärze, und sein Körper erschlaffte.

EINUNDZWANZIG
    «Gilles, sag Johannes, dass er gehen kann … Gopfriedstutz, was weiss denn ich, wie Mortons Haut unter seine Fingernägel gekommen ist.» Verärgert leerte Geigy sein Glas. «Wenn du mir nicht glaubst, frag den Herrn Staatsanwalt, er wird dir dasselbe sagen: Im Augenblick können wir Johannes nicht länger festhalten. Käser hat gestanden, und Morton ist ganz offensichtlich nicht mehr in der Lage, uns zu erzählen, was zwischen ihm und Johannes vorgefallen ist.» Geigy goss sich einen weiteren Steinhäger ein. Seine Hände zitterten so sehr, dass ein Teil des Schnapses auf den Schreibtisch floss. «Nein, Käser hat den Anschlag auf Morton nicht selbst verübt, Heilandsack. Das waren Metzger und Bretscher. Bretscher hat alles gestanden. Er konnte auch gar nicht mehr anders nach der Sache im Spital. Zudem haben wir das Überwachungsvideo der ‹Argovia Credit Groupe›… Nein, die Tat ist darauf nicht zu sehen, aber Metzger und Bretscher, wie sie zwei Bauabschrankungen aus Metzgers Kombi laden. Genau diejenigen Bauabschrankungen, die das Liebespaar gesehen haben will und von denen das Stadtbauamt nichts weiss … Zweck? Welcher wohl: Den Schlösslirain während der Tat so gut wie möglich von Passanten frei halten. Darum haben Metzger und Bretscher den Weg abgesperrt. Metzger von unten. Bretscher von oben. Sobald Morton das ‹Kultur- und Kongresshaus› passiert hatte.» Geigy klang zunehmend entnervt. «Die drei haben ihren Gerechtigkeitsfeldzug unter sich aufgeteilt: Metzger und Bretscher kümmerten sich um Morton, Käser übernahm Rothpletz. Und jetzt halte dich fest. Weisst du, wie Käser auf die Idee mit dem Bumerang gekommen ist? … Wegen ‹Goldfinger› und dem Typen mit dem eisenumrandeten Hut … Jetzt hör mir mal gut zu, ich war Mittwochnacht nicht unten am ‹Schlössli›. Ich kann dir beim besten Willen nicht sagen, ob Johannes vor Ort gewesen ist. Aber Hans-Jakob Käser hat hoch und heilig geschworen, dass er und seine beiden Kumpel die Sache ohne fremde Hilfe durchgezogen haben … Ich rege mich nicht auf!» Jetzt schrie Geigy in sein Smartphone. «Nach allem, was passiert ist, hab ich ja auch keinen Anlass dazu … Ach, steck dir deine Betroffenheit doch sonst wohin.» Geigy kippte seinen Drink in einem Zug und füllte das Glas von Neuem – dieses Mal bis zum Rand. «Auch die Drohbriefe sind kein Grund, Johannes festzuhalten. Mit Morton und Rothpletz sind beide Adressaten tot. Keine Kläger, keine Straftat. Wenn du willst, gebe ich dir das schriftlich, und falls du so versessen darauf bist, den Spinner hinter Gitter zu bringen, lass dir halt was einfallen.» Ohne Desnoyers Antwort abzuwarten, drückte Geigy ihn weg und pfefferte das Smartphone auf die Schreibtischplatte.
    Keine drei Sekunden später klingelte es abermals.
    Geigy stierte auf das Display und liess den Schnaps in seinem Glas kreisen.
    Das Klingeln hielt sich hartnäckig.
    Geigy bewegte sein Handgelenk schneller und schneller.
    Der Wachholderbrand schwappte über.
    Das Telefon klingelte und klingelte.
    «Verdammisiech!», blaffte Geigy in dessen Richtung, «wenn unser Polizeipsychologe so gut ist, wie sie immer sagen, warum kapiert er dann nicht, dass ich nicht mit ihm reden will. Dass es Unold miserabel geht, weiss ich auch

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