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Im Schatten des Vaters

Im Schatten des Vaters

Titel: Im Schatten des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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sich auf, Bretterbäume zu suchen. Auf ihrem Weg durch den Wald prüften sie die Stämme, aber hier standen fast nur Hemlocktannen, nicht dicker als zehn, fünfzehn Zentimeter. Weiter oben im Tal schrumpften die Bäume sogar noch mehr, also kehrten sie um und gingen an der Küste entlang zur Landspitze, wo es einen großen Fichtenbestand gab. Sein Vater setzte die Axt am Fuß eines Baumes an, der weiter innen und etwas um die Ecke stand.
    Ich will uns ja den Blick nicht versauen, sagte er. Roy kam der Gedanke, dass Bäumefällen hier vielleicht gar nicht erlaubt war, weil es sich um eine Art Nationalpark handelte, aber er sagte nichts. Sein Vater hatte bekanntlich schon öfter das Gesetz missachtet, wenn es ums Jagen, Fischen oder Zelten ging. Einmal hatte er Roy zum Beispiel in der Nähe von Santa Rosa, Kalifornien, zum Jagen mitgenommen. Sie hatten nur die Schrotflinte dabei und wollten auf irgendeinem Stück Land, das sie abseits einer Straße aufgetan hatten, Tauben oder Wachteln schießen. Als der Besitzer kam, sah er ihnen bloß stumm dabei zu, wie sie wieder ins Auto stiegen und wegfuhren.
    Roy übernahm die Axt, in seinen Armen spürte er jeden Schlag, und er sah, wie weiß die Späne waren, die um den Stamm zu Boden fielen.
    Pass auf, wie er fällt, sagte sein Vater. Denk an den Schwerpunkt.
    Roy hielt inne und betrachtete den Baum, lief halb um ihn herum, setzte die letzten beiden Hiebe an, und er fiel von ihnen weg und krachte durch Zweige und Blätter, dass die anderen Baumstämme zitternd dastanden, wie eine Traube von Zuschauern bei einem schrecklichen Ereignis, allesamt bebend und bestürzt und danach eine seltsame Stille.
    Na, sagte sein Vater, das sollte zumindest für ein paar Bretter reichen.
    Sie entfernten die Äste und stapelten sie, um sie später für Brennholz zu sichten und, dachte Roy bei sich, vielleicht für Pfeil und Bogen. Sie packten an je einem Ende an, um den Baumstamm zur Hütte zu tragen, aber er war viel schwerer als erwartet, also zersägten sie ihn an Ort und Stelle, zumeist in halbe Meter, und in zwei längere Abschnitte für längere Bretter, insbesondere für die Seitenwände des Räucherofens. Dann trugen sie die Stücke hinter die Hütte, standen da und betrachteten sie.
    Wir haben nicht das nötige Werkzeug.
    Nein, sagte Roy. Wir müssen einfach die Axt oder die Säge oder so was nehmen. Was nimmst du normalerweise für Bretter?
    Keine Ahnung. Irgendwas, was wir nicht haben. Aber ich glaube, wir können sie hochkant sägen.
    So probierten sie es mit einem Stück, stellten es auf, setzten die Säge etwa drei Zentimeter vom Rand an und arbeiteten sich langsam, möglichst gerade, durch.
    Die Stücke werden alle verschieden groß, sagte Roy.
    Genau.
    Wie sich herausstellte, dauerte es lange und funktionierte kaum und war eher Arbeit für eine Person, weil sie nur eine Säge hatten, also holte Roy die Angelausrüstung aus dem Haus und schraubte auf der Veranda die Ruten zusammen. An jede Schnur band er einen Köder und einen Wirbel etwa einen Meter darüber, dann ging er ums Haus. Sein Vater war noch immer am ersten Brett zugange.
    Er sah nicht auf, sondern arbeitete weiter. Sein Atem wölkte in der Kälte, und sein Gesicht sah spindelig aus wie das eines Vogels – kleine eingefallene Augen, schmale Lippen,eine Nase, die im Moment fast hakenförmig wirkte, und auf dem Kopf dünne Fransen, nicht mehr als ein flüchtiges Gekräusel.
    Ich hab die Angeln fertig, sagte Roy.
    Fang uns was Großes, sagte sein Vater und blickte kurz auf. Und dann halte deine Sägehand bereit. Mir schwant, dass wir die nächsten vier Monate hiermit beschäftigt sind.
    Roy lächelte. Ist gut. Bin bald zurück.
     
    An der Landspitze war es windiger. Roy stand am Rand, wo die Wellen bis zu einen Meter hoch aufschlugen, und weiter draußen sah er Schaumkronen. Er hatte nicht gewusst, wie geschützt ihre kleine Bucht war. Ein Weilchen lief er an der Küste auf und ab, betrachtete die weißpolierten Felsen und die Baumreihe dahinter auf einem Wulst von Gras und Erde und Wurzeln, der den Strand überall säumte und überall dem Wind ausgesetzt war. Er wusste nicht, wie sich die Erde dort hielt, von Nahem betrachtet bestand sie hauptsächlich aus Moos und Wurzeln. Er dachte an Bären und blickte sich um und entdeckte keine Anzeichen, lief aber zur Landspitze zurück, in Sichtweite der Hütte, und warf den Köder übers Wasser, um den Lachs zu fangen, der in die Bucht trudelte oder hinausschlüpfte.
    Er konnte

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