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Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation

Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation

Titel: Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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I
    »Ich soll also Ihre Tochter suchen?«
    Sein Blick wanderte von meinem Gesicht zur Tischplatte und wieder zurück. Er leckte sich kurz über die Lippen. »Man hat mir gesagt, dass Sie so was machen.«
    »Klar mache ich so was. Ich suche verschwundene Kinder, Ehepartner und Millionen. Allerdings ist immer die erste Frage: Warum gehen Sie nicht zur Polizei?«
    Sein Gebiss ähnelte dem eines Pferdes, lange Zähne und viel Zahnfleisch in einem vorspringenden Kiefer. Die hervortretenden, unruhigen Augen verstärkten den animalischen Eindruck. Ich schätzte ihn auf Ende vierzig, etwa mein Alter. Er hatte einen kleinen Buckel und wirkte nicht besonders sympathisch, jedenfalls nicht auf den ersten Blick.
    »Sie ist nicht verschwunden. Ich meine, es ist nicht sicher, dass sie in Schwierigkeiten steckt.«
    »Aha. Wie alt ist Ihre Tochter?«
    »Feli ist vierundzwanzig, nein, fünfundzwanzig.«
    »Feli?«
    »Eigentlich Felizia. Sanddorn, nach ihrer Mutter.«
    Wir saßen im Café Moca. Er hatte sich am Telefon mit Peter Fahle vorgestellt und ein Treffen in der Innenstadt vorgeschlagen, weil er am Nachmittag wieder mit dem Zug abreisen müsse. Das Café war wie immer voll, wir hatten den letzten freien Tisch auf der oberen Ebene ergattert.
    »Sie ist Journalistin.« Er spreizte die Finger beider Hände. »Sie schreibt für ein großes Magazin. Die Redaktion ist in Düsseldorf. Natürlich ist sie häufig unterwegs, auch zu längeren Recherchen. Aber jetzt wissen nicht einmal ihre Kollegen, wo sie sich aufhält. Und ihr Handy ist abgeschaltet.«
    »Deshalb machen Sie sich Sorgen?«
    »Nicht nur deshalb.« Das Lippenbefeuchten schien eine Angewohnheit zu sein. »Ich weiß, woran sie arbeitet.« Unruhiger Blick zu den Nachbartischen. »RAF, Rote-Armee-Fraktion. Genauer gesagt, die dritte Generation, die, über die man am wenigsten weiß.«
    RAF! Mein Gott, wie lange war das jetzt her?
    »Sie haben doch mal für einen RAF-Verteidiger gearbeitet.«
    Woher wusste er das? Das war, ich überlegte, Anfang der Achtzigerjahre gewesen. Während meiner Referendariatszeit war ich unter anderem in einer Kanzlei linker Anwälte tätig gewesen, zu deren Mandanten ein RAF-Mitglied der zweiten Generation gehörte, einer von denen, die versucht hatten, Baader und Ensslin aus dem Stammheimer Knast freizupressen. Ich hatte den Prozess mit vorbereitet und Botengänge erledigt, auch zu dem Angeklagten, dem eine Beteiligung an der Ermordung von Buback, Ponto und Schleyer zugeschrieben wurde. Der Typ war mir ziemlich auf die Nerven gegangen, bei jedem Besuch hatte er versucht, mich zu agitieren.
    »Sie haben sich gut informiert.«
    Er fasste das als Lob auf. »Ich habe mich umgehört. Ein Bekannter von einem Bekannten, Sie wissen schon. Ich dachte, es wäre gut, jemanden zu fragen, der Ahnung von der Sache hat.«
    »Sicher. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, dass ich nie Sympathien für die RAF hatte und meine Einblicke nicht weiter reichen als die jedes anderen Zeitungslesers.«
    Er lachte kurz. »Sie wollen nicht darüber reden. Okay!«
    Ich fing an, mich zu ärgern. »Ich bin Privatdetektiv. Meine Zeit als Rechtsanwalt ist lange vorbei. Politik interessiert mich nur noch, wenn im Fernsehen kein anständiger Spielfilm läuft. Sollte ich Ihre Tochter suchen, dann deshalb, weil Sie mir dafür ein Honorar zahlen. Falls sie wirklich Ihre Tochter ist.«
    Augenaufreißen. »Was soll das heißen?«
    »Sie nennen sich Fahle, Ihre Tochter heißt Sanddorn. Wer sagt mir, dass Sie nicht aus irgendwelchen anderen Gründen hinter ihr her sind?«
    »Aber …« Er fingerte in der Innentasche seiner Jacke herum und holte ein Porträtfoto heraus. »Das ist sie. Das ist Felizia.«
    Lange dunkle Haare, Hornbrille, ein energischer Zug um den Mund. Eine Frau, die Karriere machen will.
    »Und?«
    »Beweisstück Nummer zwei.« Er schob einen Brief über den Tisch.
    Auf der Vorderseite stand handschriftlich der Name Peter Fahle und eine Postfachadresse in Amsterdam, auf der Rückseite klebte ein Schildchen mit Felizia Sanddorns Düsseldorfer Anschrift. Ich nahm den Brief heraus, dieselbe Handschrift wie auf dem Briefumschlag: Hallo, Vater! Eine liebende Tochter hätte sich vielleicht eine gefühlvollere Anrede überlegt.
    »Na schön.« Ich steckte den Brief wieder in den Umschlag. »Fehlt Beweisstück Nummer drei, das Sie als Peter Fahle identifiziert.«
    »Ach so.« Er griff in die Hosentasche und zog einen Personalausweis aus der Geldbörse.
    Der Ausweis, ausgestellt in Bremen,

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