Im wilden Meer der Leidenschaft
bist schon süß genug.“
„Mama!“, rief Maria. „Du hast es mir doch versprochen.“
„Du hast recht, mein Schatz. Du wirst deine Aprikosen schon bekommen.“
„Und darf ich aufbleiben, um euch beim Tanzen zuzusehen?“
„Na gut, aber nur für die erste Pavane.“ Die Gäste tanzten sicherlich bis Sonnenaufgang, und Bianca wusste, dass Maria schon lange vorher einschlafen würde. Bankette im Haus der Grattianos waren immer eine fröhliche Angelegenheit mit gutem Essen, Wein und Musik, die die ganze Nacht dauerten. Vor allem, wenn es einen besonderen Anlass zu feiern gab wie einen Geburtstag oder einen Besuch des Bruders ihres Mannes, Señor Velazquez.
Heute Abend war beides zu feiern, und Bianca fühlte, dass sie sich genauso unbändig darauf freute wie Maria. Auch jetzt, da sie schon einige Jahre verheiratet war, konnte sie es kaum erwarten, mit ihrem Mann zu tanzen.
Maria klatschte in die Hände und rannte mit flatterndem weißen Seidenrock und wehenden Locken zur Haustür. Bianca folgte ihr langsam und ließ ihren stolzen Blick über ihr Haus gleiten.
Es war das größte Gebäude der Gasse und bot eine unvergleichliche Aussicht auf den Hafen und die dunkelroten Ziegeldächer der Unterstadt. Es war aus hellgrauem Stein erbaut und hatte ebenfalls das für die Stadt typische rote Dach, sowie rotgestrichene Fensterläden, die bei Tag weit offen standen. Die weißen Marmorstufen waren sauber gekehrt und poliert, und ein hübsch verziertes Schild hing über der Tür.
Señor Grattiano war darauf zu lesen, und es zeigte das Bild einer ausgebreiteten Landkarte. Es war ein einfaches Schild, aber jeder wusste, dass sich hinter dieser Tür der beste Kartograf Europas verbarg. Von Grattiano gezeichnete Karten waren bei jedem Schiffsbesitzer und Kapitän für ihre Genauigkeit begehrt, und sie waren bereit, dafür einen angemessenen Preis zu zahlen.
Die Geschäfte gingen gut und erweiterten sich, genau wie die Familie Grattiano.
Bianca folgte ihrer Tochter ins Haus und trat in die schattige Kühle der mit Marmor ausgelegten Empfangshalle, was nach dem geschäftigen Treiben des Marktes eine Wohltat war. Sie überreichte ihren Korb einer Magd, nahm ihren breitkrempigen Hut ab und ordnete ihre unbezähmbaren Locken neu in ein elegantes Haarnetz. Trotz ihrer Ermahnung an Maria, ihren Vater nicht zu stören, hörte sie das Echo von Kinderlachen im Korridor. Balthazar sagte etwas mit seiner tiefen Stimme, und Maria schrie vor Entzücken auf.
Bianca lächelte. Sie ging an der gewundenen Treppe vorbei, die hinauf in die privaten Gemächer führte, und folgte ihrer Tochter den mit prächtigen Wandteppichen dekorierten Korridor entlang in das große, hohe Arbeitszimmer.
Die Fenster standen offen, um das Tageslicht und die Sonne hereinzulassen, und eine angenehme Brise wehte über die aufgestapelten Seekarten. Maria saß auf einer Ecke des Tischs und plapperte mit ihrem Vater und ihrem Onkel Marcus, während die Hunde durch den Raum tollten. Ihre kindliche Stimme vermischte sich mit Männerlachen, mit dem Lärm der bellenden Hunde und dem Rascheln dünnen Pergaments.
Diese Geräusche des Alltagslebens in ihrem Haus waren Musik in Biancas Ohren. Der wundervolle Anblick ihrer Familie, ihres Mannes und ihrer Tochter zeigten ihr, dass sie endlich wieder ein Zuhause hatte und dort angekommen war, wo sie hingehörte.
Balthazar erblickte sie über Marias Kopf hinweg, und sein Lächeln vertiefte sich, als er ihr seine Hand entgegenstreckte. Sie lief hinüber und küsste ihn liebevoll, während ihre kleine Tochter über den schönen Tag, der hinter ihnen lag und den noch schöneren Abend, der sie erwartete, plauderte.
– ENDE –
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