Im Zeichen der Menschlichkeit
Mutter-Kind-Station – denn Kinder werden immer geboren.
Binnen weniger Stunden können in Schönefeld Startpakete für mehrere Tausend Menschen zusammengestellt werden. In den Regalen stapeln sich Zelte, Plastikplanen, Kochgeschirr, Moskitonetze, Windeln, Seife, Nägel, Pflanzenöl, Waschpulver und Klopapier. Für die Wasseraufbereitung stehen Filter, Pumpen, Leitungen und zerlegbare Tanks bereit, um bis zu 40000 Menschen mit Trinkwasser zu versorgen. In der benachbarten Fahrzeughalle warten Unimogs, Lastwagen, Geländefahrzeuge und Krankenwagen mit unerschütterlicher Geduld auf den nächsten Einsatz. Sie haben das Lenkrad mal links und mal rechts, um auch für Missionen in Indien oder Neuseeland gerüstet zu sein. Zum technischen Arsenal gehören Generatoren, eine fahrbare Lichtanlage und fünfhundert Bautrockner, die nach der Elbeflut 2002 angeschafft wurden und elf Jahre später wieder gute Dienste geleistet haben.
Internationale Kooperationen sind für Rotkreuzgesellschaften von Beginn an Routine gewesen. Mark Hofmann hat bei zahlreichen Einsätzen erfahren, wie hilfreich es sein kann, durch diese weltweite Familie überall ein Entree zu haben: »Man kommt in ein fremdes Land und hat doch sofort ein Netzwerk an der Hand, mit dem man arbeiten kann.« Wobei in seinem Fall noch eine zweite Gemeinsamkeit hinzukommt: die Leidenschaft für Hunde. Hofmann hat die Rettungshundestaffel des Iranischen Roten Halbmonds mitaufgebaut. Bis zum Jahr 2000 verfügte das gebirgige, erdbebengefährdete Land über keinerlei eigene Rettungshunde, gelten Hunde in islamischen Ländern doch als unrein und werden nicht als Haustiere gehalten. Das DRK dagegen hat seit 1895 reiche Erfahrungen mit sogenannten Gebrauchshunden gesammelt, schon im Ersten Weltkrieg wurden sie in großer Zahl bei der Suche nach verwundeten Soldaten eingesetzt. Dank der Zusammenarbeit gibt es nun auch im Iran über hundert ausgebildete Hundeführer in allen Provinzen, und sie kommen häufiger zum Einsatz, als ihnen lieb sein kann. Allein beim großen Erdbeben von Bam retteten sie fast siebzig Menschen das Leben. Auch Hofmann und sein Hund wurden von der Ausbildung weg mehrfach zu Einsätzen gerufen. »In Shiraz hatte sich ein fast unmerkliches Beben ereignet. Trotzdem war ein vierstöckiges Haus eingestürzt; die Bausubstanz ist oft schlecht. Dank der Hunde konnten wir die Verschütteten rasch orten.«
Die Ausbildung der Spürnasen erstreckt sich über zwei Jahre hinweg. Sie umfasst Flächen-, Trümmer- und Lawinensuche, Gehorsamstraining und Gewöhnung der Tiere ans Fliegen und ans Baggerfahren. »Trotz der kulturellen Unterschiede haben wir in der Arbeit rasch zusammengefunden«, berichtet Hofmann. Helfen zu wollen ist ein universelles Bedürfnis, das über alle Differenzen hinweg verbindet. Zahlreiche iranische Kollegen waren bereits auf Gegenbesuch in Deutschland, haben auch im Trainingszentrum der Bergwacht in Bad Tölz schon mit ihren Tieren geübt. Das Logistikzentrum in Schönefeld erfreut sich ebenfalls starken Interesses, insbesondere die Trinkwasseraufbereitung und die medizinische Versorgung im Katastrophenfall.
Seinen ersten Großeinsatz erlebte das Feldkrankenhaus 2008 nach dem verheerenden Erdbeben im chinesischen Sichuan. Dank der gut organisierten Unterstützung durch das Chinesische Rote Kreuz war es in nur fünfzig Stunden funktionsbereit – für Thomas Moch, der es als Arzt mitentwickelt hat, ein stiller Triumph. »In Dujiangyan wurden wir dringend benötigt. In dieser Großstadt waren alle Kliniken zerstört, die Bevölkerung hauste noch im Freien.« Das Notkrankenhaus wurde auf einer Schnellstraße am Stadtrand errichtet, wo es sowohl zu Fuß wie auch mit dem Auto gut erreichbar war. Die plane Fläche bot gewisse Vorteile – doch wie verankert man Zelte auf einer Autobahn? Sie bohrten schließlich Dübel in den Asphalt.
Für die Trinkwasseraufbereitung war Johann Keppeler aus Augsburg zuständig, Elektromeister im Vorruhestand und seit 45 Jahren beim Roten Kreuz. Zufällig kam er genau an seinem Geburtstag in Dujiangyan an. Private Belange zurückzustellen, daran ist er gewöhnt. Einige Male hat er sogar schon seinen Jahresurlaub auf einen Einsatz verwendet. »Nur Sonnenschein im Reisebüro zu buchen wäre doch langweilig. Natürlich gibt man viel, aber man bekommt noch mehr zurück.« Das deutsche Team bestand nur aus etwa zehn Helfern. Der Löwenanteil konnte den chinesischen Kollegen überlassen werden, an die das Krankenhaus
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